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Neue Politik: Aufbruch ins Lebendige? – Dr. Thomas Steininger

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Gesellschaftliche Veränderung, progressive Spiritualität und Menschen mit Herz – das sind die Stichworte zu diesem Artikel von Dr. Thomas Steininger. Unsere Welt ist geprägt von den komplexen Systemen der Weltwirtschaft und unserer politischen Institutionen. Der Radio-Moderator und freie Journalist reflektiert über die letzten 30 Jahren unseres gemeinsamen Lebens auf diesem Planeten und über die Wertschätzung von Lebendigkeit als einen politischen Akt.

von Dr. Thomas Steininger, zuerst erschienen in evolve

 

1978 war ich an meiner ersten großen politischen Aktion beteiligt. Damals sollte in Österreich das erste Atomkraftwerk ans Netz gehen. Doch es gab im Land überraschenden Widerspruch. Für Menschen aus den fortschrittlichen wie auch aus den konservativen Teilen der Gesellschaft war die Atomkraft zu einem Symbol für eine Industrie geworden, die in eine grundlegend problematische Richtung ging. Sie stand für eine Entwicklung, die in Kauf nahm, für scheinbar billigen Strom unvorhersehbare gesundheitliche Risiken für viele Generationen in Kauf zu nehmen. War das noch eine Industrie, die für uns Menschen da war? Eine ganze Generation entdeckte die Ökologie. Denkprozesse, die damals anfingen, stellen sich vielleicht heute mit einer Dringlichkeit dar, die wir damals noch nicht ahnten. Können wir Entscheidungen verantworten, deren Folgen unsere Enkel tragen? Damals in Österreich gelang es den Gegnern der Atomkraft, eine Volksabstimmung über das bereits gebaute AKW Zwentendorf durchzusetzen. Viele, auch wir jungen Menschen, waren über Monate auf der Straße und diskutierten über die Risiken und darüber, welche Industrie und welche Gesellschaft wir wollten. Was niemand erwartet hatte, geschah: Am 5. November 1978 stimmten die Menschen in Österreich mit knapper Mehrheit gegen die Atomtechnologie. Das AKW Zwentendorf wurde noch vor seiner Inbetriebnahme zu einem Museum einer veralteten Technologie. Viele von uns empfanden diese Volksabstimmung als eine Zeitenwende. Wir träumten von Wind- und Sonnenenergie und von einer neuen, ökologischen Gesellschaft. Doch der Zeitgeist wehte vorerst in eine andere Richtung als unsere jungen Träume.

 

30 Jahre Umbruch

In den letzten dreißig Jahren standen wir immer wieder vor überraschenden globalen Veränderungen, die uns jeweils neu über unsere Gesellschaft nachdenken ließen. All diese Umbrüche haben unser Verständnis von Geschichte und Gesellschaft nachhaltig geprägt. Das neue Wort, das die 80er Jahre beflügelte, hieß Neoliberalismus. Es stand damals für die Politik von Ronald Reagan und Magaret Thatcher. Ihre Politik war der Anfang einer neuen, radikal markt- und wirtschaftsorientierten Politik. Der nächste Einschnitt in die gesellschaftliche Entwicklung war das Jahr 1989, der Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks in Europa. Es war eine Zeit des Zusammenbruchs der Ideologien. Einer der wirklichen Helden des historischen Umbruchs in Europa war Václav Havel. Der tschechische Dichter und Dissident wurde über Nacht zum Präsidenten der jungen tschechischen Demokratie. Der tiefe, aber auch skeptische Humanismus dieses Dichterpräsidenten versprach eine neue menschliche Dimension in der Politik: „Die Tragik des modernen Menschen ist nicht, dass er immer weniger über den Sinn des eigenen Lebens weiß, sondern dass ihn das immer weniger stört.“ Hier sprach jemand, dem die existenzielle Dimension unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens nicht fremd war. Václav Havel war wie ein Versprechen für eine neue Politik, in der die Menschen in ihrer Verletzlichkeit, in ihrer Freiheit und ihrer Eigenverantwortlichkeit im Mittelpunkt standen.

Aber der Frühling in der Politik dauerte nicht lange. 2001 kam der große Schock. Im Terroranschlag auf die Twin Towers in New York und im Krieg gegen den Terror zerbrach die naive Hoffnung, das 21. Jahrhundert würde vielleicht frei von ideologischen Kriegen sein. Die Welt erlebte einen neuen globalen Konflikt. Die westliche Welt war mit einer radikalen, ja brutalen Ablehnung ihrer liberalen Werte aber auch gegenüber ihrer neoliberalen Politik konfrontiert. Die weltweite Renaissance der Religion bekam auf einmal die Form eines rückwärtsgewandten und manchmal auch erschreckenden Fundamentalismus.

2008 kam der nächste Schock: die Finanz- und Wirtschaftskrise. Sie riss die Welt in wenigen Wochen fast in den Abgrund. In Europa schwelt die globale Finanzkrise seither weiter vor sich hin und wird zum Nährboden rechtspopulistischer Bewegungen. Aber auch weltweit ist die Schuldenkrise nur vorerst mit zusätzlicher Verschuldung aufgefangen worden.

Die globalisierte Welt erzeugt eine Komplexität, wie wir sie in unserer Geschichte noch nie gesehen haben. Sie ist geprägt von einem historischen Klimawandel, von neuen Kriegen, dramatischen Flüchtlingsströmen – einer Dauerkrise, die alle Akteure zu überfordern scheint. Gleichzeitig leben wir in einer Welt, in der die neuen Technologien eine Wissens- und Datenökonomie erschaffen, die uns als globale Menschheit fast neu erfindet. Wohin führt dieser Umbruch, den viele als Zeitenwende erleben? Die Ära des Neoliberalismus scheint zu Ende zu gehen. Das Vertrauen in die Vernunft der globalen Börsen, das sie die letzten 30 Jahre bestimmt hat, ist seit 2008 dramatisch eingebrochen. Aber auch eine 300 Jahre alte Ära der uneingeschränkten westlichen Dominanz in der Welt scheint zu Ende zu gehen. Neue Aufsteiger wie China, Indien, Brasilien aber auch Regionalmächte wie Südafrika und der Iran sind Vorboten einer Zukunft, in der verschiedene Kulturen um Mitbestimmung konkurrieren werden, um zu beeinflussen, wie unsere gemeinsame Zukunft aussehen wird.

Teil dieses Umbruchs ist eine Renaissance der Religion. Wir erleben sie nicht nur in fanatisch-fundamentalistischen Formen des Islam. Die Tea-Party-Bewegung in den USA und Putins neu-orthodoxes Russland sind Teil einer weltweiten fundamentalistischen Welle. Aber die Renaissance der Religion, oder besser gesagt, die Renaissance der Spiritualität hat auch ein zweites Gesicht. Viele Menschen, gerade in den USA und Europa, suchen nach einem neuen Einklang zwischen den Werten westlicher Aufklärung und einem neuen Verständnis von Religion und Spiritualität, eine Synthese einer aufgeklärten Vernunft und einer offenen Spiritualität. Es gibt auch die Renaissance einer progressiven Spiritualität und unser Magazin versteht sich als Teil dieser Entwicklung.

 

Progressive Spiritualität

Jürgen Habermas, der wahrscheinlich bedeutendste Sozialphilosoph unserer Zeit, bezeichnet sich selbst als „religiös unmusikalisch“, aber sein Verständnis der grundlegenden gesellschaftlichen Herausforderungen, vor denen wir gemeinsam stehen, zeigt vielleicht auch, welchen Beitrag eine moderne, offene Spiritualität leisten kann. Jürgen Habermas beschreibt in seinem Werk den zentralen gesellschaftlichen Konflikt des 20. und 21. Jahrhunderts als einen Konflikt zwischen zwei Bereichen der Gesellschaft, die er „Lebenswelt“ und „Systemwelt“ nennt. Traditionelle Gesellschaften kannten diesen Konflikt nicht, aber ihre Lebenswelten waren noch nicht von dem getrennt, was wir heute als „das gesellschaftliche System“ verstehen. Wirtschaft und Politik waren in den traditionellen Gesellschaften Ausdruck einer gemeinsam gelebten kulturellen Sphäre. In frühen Stammesgesellschaften waren Arbeit und Gemeinschaftsleben noch eins mit der gelebten Spiritualität der Stammesgesellschaften. In späteren Priesterkulturen prägten Priesterherrscher die gesellschaftlichen Normen. Die damalige Arbeits- und Lebenswelt war tief durchdrungen von der spirituellen Welt der großen Religionen. Das Zinsverbot vieler Religionen war ein Ausdruck dieser Einheit.

Die Trennung zwischen System- und Lebenswelt kam, so Habermas, mit der europäischen Reformation und der Industrialisierung. In der Zeit der Reformation entkoppelten sich Geld- und Machtstrukturen von den traditionellen Lebenswelten. Wirtschaft und Politik wurden zu einem unabhängigen System mit eigener Logik und Dynamik. Habermas beschreibt, dass in der modernen Welt die Systemwelt in immer größerem Maße danach trachtet, die Lebenswelten zu kolonisieren. Sie transformiert menschliche Beziehungen zu Warenbeziehungen oder abstrakt-bürokratischen Machtbeziehungen. Es geht darum, so Habermas, diesen Prozess der Kolonisierung umzukehren. Sein politisches Projekt besteht darin, den Lebenswelten durch „verständnisorientiertes Handeln“ wieder ein Übergewicht gegenüber der Eigenlogik von Markt und Bürokratie zu geben. Die Überwindung der weltweiten ökologischen Krise, aber auch die Zähmung der Marktlogik durch die Werte menschlicher Beziehungen, braucht eine starke verständnisorientierte Lebenswelt.

Auch eine globalisierte Welt, die nicht nur eine Globalisierung der Märkte ist, sondern eine Globalisierung unserer Beziehungen, braucht ein tiefes Verständnis lebendiger zwischenmenschlicher Beziehungen und einer lebendigen Beziehung zu dieser Erde. Progressive Spiritualität kann uns dabei helfen, auf einer radikalen und existenziellen Weise zu verstehen, was der Unterschied zwischen Lebenswelt und Systemwelt eigentlich ist. In einem Wald nicht nur „Nutzholz“ zu sehen, sondern lebendige Bäume wahrzunehmen, ist ein spiritueller Akt. Unsere menschlichen Beziehungen nicht weiter zu käuflichen Warenbeziehungen verkommen zu lassen, ist ein spiritueller Akt. Zu sehen, wie die Systemwelt weite Bereiche unserer Seele kolonisiert hat, ist ein spiritueller Akt. Wir brauchen unsere menschliche Intuition und unser Herz, um den Wert des Lebens wieder zu sehen.

Sind wir in der Lage, die Natur und vielleicht sogar den Kosmos als lebendig und beziehungsfähig zu erfahren – was uns in tiefer spiritueller Einsicht zugänglich werden kann?  Albert Einstein war nicht nur ein genialer Physiker, sondern auch ein moderner, mystischer Mensch. Er meinte einmal, wenn er Gott eine Frage stellen könnte, dann wäre es die Frage: „Ist das Universum freundlich oder nicht?“ In dieser Frage steckt natürlich auch noch eine Frage: Ist das Universum beziehungsfähig, ist es lebendig? Die materialistische Wissenschaft beschreibt den Kosmos im Grunde als eine große kalte Leere mit ein paar verstreuten Materiebrocken. Spirituelle Intuition sieht das anders. Es gibt gute Argumente, auch aus einer aufgeklärten und modernen Perspektive unser Universum als ein ungeteiltes, beziehungsfähiges und lebendiges Ganzes zu sehen. Diese Einsicht würde dem Wort Lebenswelt eine andere Tiefe geben. Diese radikale Wahrnehmung unserer universellen Lebenswelt ist vielleicht einer der wichtigsten Beiträge der Spiritualität zu den Fragen unserer Zeit.

 

Lebenswelt

Der philippinische Soziologe und Träger des Alternativen Friedensnobelpreises Nikanor Perlas hat Habermas’ Gedanken zu System- und Lebenswelt auch im Rahmen eines globalen politischen Aktivismus weitergedacht. Nikanor Perlas, der eine spirituell erweiterte Sicht der Lebenswelt vertritt, sieht neben Global Business und den internationalen politischen Strukturen in der globalen Zivilgesellschaft eine entstehende dritte, Lebenswelt-orientierte globale Kraft. Die globale Zivilgesellschaft verbreitet und verbindet sich auch durch die Entstehung des Internets in den letzten Jahrzehnten über den ganzen Globus. In ihr spielen soziale, tiefenökologische aber auch direkt spirituelle Werte eine immer bedeutendere Rolle. Die weltweiten Netzwerke der entstehenden Zivilgesellschaft sind vielleicht der Anfang eines globalen Verständigungsprozesses, der weit über die Grenzen der verschiedenen Nationen und Kulturen hinausgeht. In Nikanor Perlas‘ Vision ist das Netzwerk eine verständigungsorientierte globale Lebenswelt, die mit Global Business und den weltweiten politischen Strukturen in eine konstruktive Auseinandersetzung gehen kann.

Einer der auch spirituell motivierten Vordenker einer lokalen und globalen Lebenswelt ist Charles Eisenstein. In seinen Büchern beschreibt er unsere Zeit als einen epochalen globalen Umbruch. Er sieht ihn als den Übergang von einer Kultur der Trennung zu einer Kultur der Wiedervereinigung mit der Lebendigkeit des Lebens, der Lebendigkeit des Kosmos und der Lebendigkeit unseres Planeten Erde. Das große Echo, das Autoren wie Charles Eisenstein bis tief hinein in die Occupy-Bewegung der letzten Jahre gefunden haben, zeigt zumindest, dass es eine neue Sensibilität und ein neues Interesse für ein spirituelles Verständnis unserer Lebenswelt gibt.

Seit der Finanzkrise 2008 hat sich auch im Mainstream der Medien der Diskurs stark verändert. Das Wort Nachhaltigkeit hat eine neue Bedeutung gefunden. In den Wirtschaftswissenschaften gibt es eine neue Generation von Postmaterialisten. In Deutschland und der Schweiz ist es seit einigen Jahren gelungen, eine breite Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen zu führen. Enno Schmidt, Mitinitiator der Schweizer Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen, betont in seiner Arbeit, dass allein der Gedanke des bedingungslosen Grundeinkommens unser herkömmliches Menschenbild und unsere Vorstellungen über unsere menschlichen Beziehungen infrage stellt. Er sieht in der öffentlichen Debatte schon einen großen Erfolg.

Ethische Banken wie die GLS Bank, die Ethik Bank oder die Triodos Bank in Deutschland zeigen, dass es auch Ansätze gibt, ganz real mit Geld und Kapital in einer Weise umzugehen, die nicht nur der Logik der Systemwelt, sondern auch den Werten unserer Lebenswelten Rechnung trägt. Die aus Österreich kommende Initiative für Gemeinwohlökonomie macht ganz direkt den Versuch, die Wirtschaftlogik wieder über politische und demokratische Prozesse an die Werte einer verständnisorientierten Lebenswelt anzuschließen. Radikale Ansätze wie Charles Eisensteins Ideen einer „Schenkökonomie“ gehen dem Gedanken nach, dass die einfache Einsicht, dass uns das Leben selbst – und viele der wesentlichen Qualitäten unseres Lebens wie Liebe, Respekt, Freundschaft – nur geschenkt werden können, wenn sich unser Verständnis von Wirtschaft und Gesellschaft verändert. Auch unsere globalen Probleme brauchen eine neue Kultur einer globalen Lebenswelt. Dazu leisten die verschiedenen Formen traditioneller und progressiver Spiritualität wichtige Beiträge.

Als wir 1978 gegen die Atomkraft in Österreich abstimmten, hatten wir die Hoffnung, dass erneuerbare und lebensbejahende Energie bald Mainstream wird. Auf eine gewisse Weise ist sie das heute, nach über 35 Jahren, auch geworden. Die Herausforderungen unserer Welt sind aber nicht kleiner geworden. Um der Lebenswelt in dieser Welt eine neue Bedeutung zu geben, müssen wir auch sehen, wo diese Lebenswelt immer wieder neu geboren wird – in unseren Beziehungen. Im lebendigen Dialog entdecken wir immer wieder auf‘s Neue unsere gemeinsame Welt. Vielleicht ist es auch die Aufgabe der progressiven Spiritualität, eine neue Dialogkultur anzustoßen, in der die Lebendigkeit unserer Beziehungen und die Lebendigkeit der Welt erfahrbar und lebbar werden. Diese bewusste Dialogkultur wird ein wichtiger Beitrag sein.

Der Text ist zuerst erschienen in evolve – Magazin für Bewusstsein und Kultur
www.evolve-magazin.de
www.facebook.com/evolve.magazin

 

Über Dr. Thomas Steininger:

Er ist Herausgeber des Magazins evolve und studierte Philosophie an der Universität Wien mit einem besonderen Schwerpunkt auf Bewusstseinsthemen und soziale Evolution. Er arbeitete für das österreichische Radio (Ö1) und als freier Journalist. Thomas lehrte beim Masters-Programm für „Conscious Evolution“ am Graduate Institute in Connecticut/USA in Zusammenarbeit mit Don Beck, Susanne Cook-Greuter, Allan Combs u. a. Heute leitet er emerge e.V. Deutschland und moderiert das Webradio Radio evolve. Er hält international Vorträge und gibt Seminare über Dialog und evolutionäre Spiritualität.

Dieser Artikel Neue Politik: Aufbruch ins Lebendige? – Dr. Thomas Steininger ist zuerst auf MYSTICA.TV erschienen.


Mystik als Religionskritik – Roland Rottenfußer

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© momosu / photocase.de

Würden Sie sich eher als mystischen oder religiösen Menschen bezeichnen? Glauben Sie Unterschiede und Abgrenzungen dieser beiden Richtungen genau zu kennen? Im folgenden Artikel wird deutlich, dass bei genauerem Hinsehen natürlich Parallelen zwischen Mystik und Religiösität bestehen – vor allem aber auch viele Gegensätze.

von Roland Rottenfußer

 

 

 

 

 

 

 

Die Fackel wegwerfen, wenn das Feuer entfacht ist

Viele Leser werden es erfreulich finden, wenn ich sage, dass Mystik teilweise in einem krassen Gegensatz zur Glaubensreligion steht. Zur Dogmatik ohnehin. Glauben wird vielfach synonym mit „Religion“ gebraucht, was über Jahrhunderte zu einer m.E. völlig falschen Akzentuierung geführt hat. Denn Glauben kann die Rückverbindung („religio“) zum Urgrund unserer Existenz mitunter eher behindern, indem er in unserem Geist ein System von (Vor-)Urteilen etabliert. Ich kann z.B. glauben, dass Gott durch eine unüberwindliche Kluft von mir getrennt ist, dann behindert dieser Glaube mögliche mystische Impulse. Oder ich kann glauben, dass ich als Mensch zutiefst verderbt bin, unwürdig, dass Gott „eingeht unter mein Dach“. Dies kann dazu führen, dass ich meine Türen und Fenster vor ihm verschließe. „Das Mondlicht füllt den Himmel ganz, von Ost nach West; wie weit es deine Stube füllen kann, hängt von den Fenstern ab“, schrieb der islamische Dichter Rumi. Wer Weltanschauungen vor allem nach ihrer ethischen Praxis bewertet, wird ohnehin sagen: Auf den Glauben kommt es gar nicht so an. Was zählt, ist, ob jemand mitmenschlich handelt. Im Sinne von Lessings „Ringparabel“ in „Nathan der Weise“ sollen die Religionen vor allem durch gute Taten zeigen, welche von ihnen wirklich das Erbe des Vaters verwaltet.

Ich hatte in meinem vorigen Mystik-Artikel von einer „Wolke des Nichtwissens“ gesprochen, die für die meisten undurchdringlich scheint. Was in der Religionsgeschichte nun oft geschehen ist, ist dies: Die Gläubigen wurden von den Institutionen in keiner Weise ermutigt, den „Nebel“ selbst zu durchdringen. Vielmehr sollten sie vor ihm stehen bleiben und sich von den Würdenträgern und Wissensbesitzern erzählen lassen, was „dahinter“ ist. Wenn jemand von eigenem mystischen Erleben abgeschnitten ist, überwindet er die gefühlte Kluft zwischen sich und Gott durch einen Impuls des „Glaubenwollens“. Dieser ist oft gesteuert durch Tradition und religiöse Autorität, durch „Glaubensollen“. Man glaubt, was man meint glauben zu müssen, weil alle in einer Kultur es glauben, weil der Priester, Rabbi oder Imam es sagt, weil die Heilige Schrift es sagt, weil man – falls man nicht glauben kann – mit Sanktionen, zumindest mit gesellschaftlicher Isolation sanktioniert wird. In Saudi-Arabien gibt es den Straftatbestand „Abwendung vom Islam“, bewehrt mit der Todesstrafe. Aber auch im „Abendland“ ist es gerade in traditionellen Gemeinden nicht leicht, sich dem „Glaubensollen“ zu entziehen, was den Nährboden für viel Heuchelei bildet.

Schwierig wird es vor allem, wenn das Dogma sehr stark davon abweicht, was Mystiker selbst erfahren haben. Dogmatiker ersetzen dann die mangelnde Substanz ihrer Lehre gern durch besondere Unduldsamkeit und die Forderung nach Glaubensgehorsam. Je unwahrscheinlicher und absurder ein Glaubensinhalt erscheint, desto mehr gilt gerade das „blinde Vertrauen“ in ihn als Ausweis besonders ehrenwerter Glaubensstärke. Das ist dann so, als wolle ein Blinder einen Sehenden über die Natur der Farben belehren. Oder als wolle jemand, der noch keine sexuelle Erfahrung hatte, demjenigen, der sie hatte, theoretische Lehrsätze über Sexualität aufschwatzen. Daher halte ich es für wichtig, zumindest den Versuch zu unternehmen, einen mystischen Weg zu gehen. Dies wird von den religiösen Institutionen aber oft nicht gefördert, ja sogar negativ bewertet. Es ist, als wollten die Würdenträger und Machthaber sagen: „Du musst gar nichts selbst in die Erdbeere beißen, wie sie schmeckt steht genauestens in der Heiligen Schrift. Wenn der Geschmack, den du selbst wahrnimmst, mit der offiziellen Lehre übereinstimmt, ist es unnötig, selbst hinein zu beißen; wenn der Geschmack dagegen von der offiziellen Lehre abweicht, müssen deine Sinne einer Täuschung unterliege und du bist ein Sünder.“

In Bertolt Brechts Stück „Das Leben des Galileo“ diskutiert der berühmte Naturwissenschaftler mit katholischen Gelehrten über die Frage, ob andere Planeten außer der Erde über Monde verfügen können. Die Gelehrten verneinen dies unter Verweis auf die Bibel. Galilei bittet sie, durch das Fernrohr zu schauen, das glasklar die Existenz von Jupitermonden anzeigt. Die Gelehrten weigern sich jedoch, hindurchzuschauen – mit der auf neuzeitliche Menschen skurril wirkenden Begründung: „Ein Instrument, das etwas anzeigt, was es nicht geben kann, ist wohl nicht sehr zuverlässig.“

In diesem Sinn steht der Mystiker dem Naturwissenschaftler näher als dem Dogmatiker. Er schaut selber nach und nimmt in Kauf, dass das Gesehene sein bisheriges Weltbild durcheinander wirft. Oder – was noch wahrscheinlicher ist – dass er sich auf das Gesehene bzw. Gefühlte überhaupt keinen Reim machen kann. So betrachtet,  ist der Mystiker auch kein Gläubiger. Er ist jemand, der um den Geschmack der Erdbeere weiß, weil er selbst hinein gebissen hat. Unmöglich kann ein Unerfahrener ihm sein Erlebnis streitig machen. Ebenso unmöglich ist es aber auch, den Geschmack diesem Unerfahrenen mit Worten wirklich nahe zu bringen. Selbst die Angaben „süß und saftig“ sagen im Grunde wenig, sie sind nur ein sehr grobes Raster, um dem ganz Spezifischen dieses Geschmacks Ausdruck zu geben. Schließlich wären die Bezeichnungen „süß und saftig“ ebenso auf Pfirsiche oder auf Himbeeren anwendbar.

Viele Mystiker würden vermutlich meiner Aussage, sie seien keine Gläubigen, widersprechen. Der Glaube habe sie erst zu mystischen Erfahrungen geführt, habe sie in dem Vertrauen gestärkt, dass es jenseits der „Wolke des Nichtwissen“ überhaupt etwas – oder jemanden – gebe. Dieses Vertrauen sei überhaupt erst die Voraussetzung dafür gewesen, dass sie sich auf den Weg durch den Nebel gemacht hätten. „Credo utintellegam“ (Ich glaube, damit ich verstehe) ist ein dazu passender Spruch aus der Kirchengeschichte. Der Glaube ist es oft auch, der bei der Deutung des Erlebten assistiert. Freilich liegt hier auch der Haken, denn mit dem Gebrauch von Worten zur Beschreibung des Erlebten wird dieses mit dem kulturellen Hintergrund des Mystikers „aufgeladen“. Da spürt man z.B. nicht mehr nur eine „Präsenz“, eine „intensive Energie“, ein „strömendes Gefühl in den Extremitäten“  – nein es ist der Heilige Geist, sind Engel, ist vielleicht sogar Gott selbst, der einen besucht hat. Es ist also gut, sich selbst zu prüfen, ob man das schon vorher Geglaubte nicht in eine Erfahrung hineininterpretiert. Und ob es man, zweitens, nicht mit der Interpretation des Geschehnisses hinterher auf die Bestätigung von vorher schon vorhandenen Glaubensinhalten abzielt. Insofern kann man zusammenfassen: Ist Glaube die Ursache der Mystik, ist er hilfreich, ist er dagegen die Folge der Mystik, kann dies zu Verfälschungen führen.

Religionen „sagen den Menschen vor allem, was sie sehen sollen, anstatt wie sie sehen sollen.“ (Richard Rohr) Damit erscheint das Erkennbare durch ein traditionelles Correctness-System begrenzt und zugleich vorgeprägt. Es ist unmöglich, bevor sich mystische Erfahrungen einstellen, nicht irgendetwas „geglaubt“, „vermutet“ und „angenommen“ zu haben. Es sollte uns aber bewusst sein, dass diese Annahmen nur begrenzt Rückschlüsse auf die Wahrheit zulassen. Religionen, die ja alle in Richtung des gleichen Lichts schauen, tun dies mit grünen, blauen oder roten Brillengläsern, um dann auszurufen: „Schaut, es ist ein grünes, ein blaues, ein rotes Licht!“ Der islamische Mystiker Junaid sagte: „Wasser nimmt die Farbe des Glases an, in dem es sich befindet.“ Das Bewusstsein eines Menschen, mitgeprägt durch seine Kultur, nimmt das Absolute in der ihm eigenen Färbung wahr.

Bei aller notwendigen Sprachskepsis kann es jedoch hilfreich sein, die Zeugnisse glaubwürdiger und sprachmächtiger Autoren zu lesen, die die Distanz zwischen Erlebtem und Sagbarem wenigstens teilweise zu überwinden wissen. Jörg Zink, der bedeutende evangelische Theologe und erfolgreiche Sachbuchautor, berichtet von einer „Offenbarungs“-Erfahrung beim Anblick weißer Schlehenbüsche. Es geschah völlig unerwartet 1943, während Zink als junger Soldat in der Nähe von Befestigungsanlagen der deutschen Truppen bei Lyon umherstreifte: „Das waren keine Blüten. Das war eine Welt, die offen war nach einer anderen Dimension hin. Da war alles offen! Und mir war schlagartig klar, dass meine kleine Welt, in der ich lebte und Soldat war und flog und Bücher las, wie ein Gefängnis war, dessen Mauern mir die eigentliche Wirklichkeit verstellten. Dass die Welt unendlich weiterging in Räume, die mir sonst verschlossen waren. Dass sich die größere, nenne sie meinetwegen ‚geistige’, Welt mir zuwandte, offen, freundlich, dass sie mich suchte.“ Zunächst interpretiert Zink das Erlebnis, geschildert in seinem Buch „Die goldene Schnur“, nicht im christlichen Sinn. An anderer Stelle schreibt er dann aber: „Für mich waren die weißen Schlehen wie das, was Mose am brennenden Dornbusch erfuhr: die brennende Gegenwart Gottes. Wer so aus sich heraustritt, wird nicht nur seinen Blick weiten, sondern auch seinen Atem. Er wird sich vorstellen, dass die Luft, die er einatmet, mit der Weite des Universums erfüllt ist, nein, mehr, mit der Kraft und Gegenwart Gottes.“

Die Beschreibungen mystischer Erfahrungen durch Autoren christlicher und anderer religiöser Herkunft sind sehr unterschiedlich. Ein gewisser Überblick hilft, um das Thema gleichsam von verschiedenen Seiten einzukreisen. Bleiben wir einen Augenblick bei Jörg Zink, der Mystik von ihrer ursprünglichen Wortbedeutung her aufschlüsselt: „Mystik, das Wort hängt zusammen mit dem Wort ‚myein’, die Augen schließen. Die Mystiker schließen die Augen, um innere Bilder zu sehen, und um danach die äußeren Bilder so zu sehen, dass sie Wirklichkeit mitteilen, wahrnehmbare Wahrheit.“ Die Wortherkunft von „Augen schließen“ ist wichtig, um Mystik vom scheinbar verwandten Wortfeld „Mystery“ oder „mysteriös“ abzugrenzen. Jedenfalls hat sie weder etwas mit Fantasy-Filmen zu tun noch ist sie „Okkultismus“ im Sinne des Dunklen oder der elitären Esoterik. Tatsächlich geht es schlicht um die Öffnung für dem Alltagsbewusstsein unzugängliche Welten durch Introversion (Wendung nach innen). Folge dieser Introversion kann paradoxerweise ein „Aus-sich-Heraustreten“ (eine Ekstase) sein.

Was ist Mystik? Sammeln wir noch ein bisschen, um die „Sehnsucht nach dem Meer“ zu wecken, wenn es schon unmöglich scheint, das Wasser selbst im Gefäß der Worte zu den Lesern zu tragen. „Sich weggeben, sich vergessen, hineinsterben in das unendliche Du“, sagte der katholische Priester und Zen-Praktizierende Johannes Kopp. „In des Welt-Atems wehendem All ertrinken versinken, unbewusst – höchste Lust“ dichtete der Komponist Richard Wagner in „Tristan und Isolde“. „Wenn wir uns die Erste Wirklichkeit als einen unendlichen Ozean vorstellen, dann sind wir so etwas wie die Wellen auf diesem Meer“, schrieb der katholische Prietser und Zen-Meister Willigis Jäger. „Wenn nun die Welle erfährt, ‚Ich bin das Meer’, dann sind da immer noch zwei: Welle und Meer. In der mystischen Erfahrung aber wird auch diese Dualität überstiegen. Das Ich der Welle verfließt, und an seiner statt erfährt das Meer sich als Welle.“

Dies sind freilich Umschreibungen von Gipfelerlebnissen, die den Leser leicht überfordern können. Sie fassen schon das Endziel jeder Mystik in Worte, nicht mehr die für die meisten Suchenden zunächst erreichbaren Schritte auf dem Weg. Willigis Jäger prägte für das Verhältnis zwischen mystischen Schriften und dem Ziel der Mystik ein schönes Bild: „Die Schrift ist wie eine Fackel, die man wegwirft, wenn das Feuer entfacht ist. Sie ist der Ruf des Unendlichen, der uns ständig die Richtung weist, in die wir zu gehen haben, aber sie ist nicht das Unendliche selbst.“ Dies gilt übrigens auch für die Heiligen Schriften der Wortreligionen. Je poetischer und vieldeutiger diese abgefasst sind – der Koran z.B. – desto weiter können sie dem Voranschreitenden auf dem Weg leuchten. Aber sie sind nicht zu verwechseln mit dem „Unendlichen“ selbst.

Schriften von Mystikern lesen sich immer wieder nicht nur als Sprach-, sondern auch als Religionskritik, was sie Skeptikern und Agnostikern näher bringen könnte. Richard Rohr etwa definiert: „Echte Spiritualität ist nicht die Suche nach Vervollkommnung oder Kontrolle oder die Tür zum Jenseits, sie ist eine Suche nach Vereinigung mit dem Göttlichen hier und jetzt.“ Oder an einer andere Stelle in Rohrs ausgezeichneten Buch „Pure Präsenz“: „Man sollte sich vom Wort ‚Mystiker‘ nicht abschrecken lassen. Es bezeichnet einfach jemanden, der den Schritte von bloßen Glaubens- und Zugehörigkeitssystemen zu tatsächlicher innerer Erfahrung vollzogen hat.“ Über den Glauben habe ich mich ja zuvor schon ausführlich geäußert. Rohr definiert institutionelle Religion aber darüber hinaus auch als „Zugehörigkeitssystem“, das meist allzu streng zwischen „uns hier drinnen“ und „denen da draußen“ unterscheidet. Eine künstliche Spaltung, die viel Unheil in der Weltgeschichte hervorgebracht hat – übrigens nicht nur zwischen Religionen, sondern auch zwischen Menschen verschiedener Nationen, Volksgruppen, Geschlechter oder sexueller Orientierungen usw. „Schlechte geistliche Unterweisung redet immer davon, etwas sei ‚nur‘ hier oder ‚nur‘ dort, zum Beispiel ‚nur in meiner Kirche‘. Gute geistliche Unterweisung sagt ‚immer‘ und ‚überall‘“. Ein Satz Rohrs, der – denkt man über ihn nach – mehr als kühn ist und jede falsche Hierarchisierung zwischen den Religionen vom Tisch fegt.

Richard Rohr nennt als Vorbilder für echte Spiritualität auch ältere Mystikerbewegungen, etwa die Wüstenväter. „Sie waren nicht so sehr mit dem ‚Management der Sünde‘ beschäftigt wie wir Kleriker des Westens.“ Ein Seitenhieb gegen die in den Religionen oft bis zum Exzess betriebene Aufspaltung zwischen einer „korrekten“ und einer „unkorrekten“ Teilschöpfung, zwischen erwünschten (rechtgeleiteten) und unerwünschten (sündigen) Verhaltensweisen. Zur Überwindung dieser Spaltung tragen nach Richard Rohr vor allem zwei Faktoren bei: große Liebe und großes Leid. Menschen, die beides nicht erlebt haben, „haben nie aufgrund eigener Erfahrung von Barmherzigkeit und unverdienter Gnade die Mentalität aufgegeben, die die Welt in diejenigen aufteilt, ‚die es verdient haben‘ und ‚die es nicht verdienen.‘ Weil ihnen das fehlt, bleiben sie bewertende, fordernd, unversöhnlich und emotional gehandicapt, wenn es um Empathie und Sympathie geht. Sie verharren im Gefängnis der Leistungsideologie, wo man sich alles verdienen muss.“

Allerdings kann man die Verirrungen institutioneller Religionen – der „Glaubens- und Zugehörigkeitssysteme“ – auch durchaus gnädiger beurteilen: als notwendige Stufen auf dem Weg. Willigis Jäger schreibt hierzu: „Religionen haben verschiedene Stufen – und jede dieser Stufen hat ihre Berechtigung. Bedauerlich ist es nur, wenn man auf einer dieser Stufen stehen bleibt und sie für die ganze Religion hält. Und eben das passiert, wo sich das Ich mit der Befolgung ethischer Richtlinien und Glaubenswahrheiten einer Religion zufrieden gibt und das Gleiche auch von anderen fordert. Auf dem spirituellen Weg der Mystik jedoch werden diese Stufen zurückgelassen.“

Wir haben also zur Mystik einige Stichworte gesammelt, die vielleicht nicht jeder in diesem Zusammenhang erwartet hätte. Demut z.B. Auch Gnade im Sinne eines Verzichts auf scharfe Bewertungen menschlicher Taten, auf die „gnadenlose“ Spaltung zwischen korrekten und sündigen Handlungen. Auch ein anarchistischer Zug zeigt sich bei der Mystik: der Wunsch sich weder vorschreiben zu lassen, was man erleben, noch wie man es interpretieren darf. Es ist vielleicht gar nicht geschickt, sich in der Mystik gleich auf das Endziel, die „Vereinigung mit Gott“ zu konzentrieren. Dieses Ziel könnte zunächst einschüchternd und zu anspruchsvoll wirken, ja religiösen Menschen sogar blasphemisch vorkommen. Zunächst geht es um den Schritt vom Paradigma des Glaubens, Gehorchens und Spekulierens überzuwechseln zu in jenem der unmittelbaren Erfahrung. Man beißt selbst in die Erdbeeren anstatt eingeschüchtert den Predigten anderer über das Erdbeer-Dogma zu lauschen.

Hat man freilich hineingebissen, kann es sein, dass man zu einer ebenso irritierenden wie beglückenden Erkenntnis gelangt: Das „Endziel“ ist zugleich der Ausgangspunkt. Und das, wonach man gesucht hat, war immer schon da.

 

Buchtipp:
gesundbeten mit heiligen_MYSTICA_TV

 

Monika Herz, Roland Rottenfußer: „Gesundbeten mit Heiligen“
Verlag: Kailash
Umfang: gebunden, 224 Seiten
Preis:  14,99 €
ISBN:  978-3-424-63100-5

Hier können Sie das Buch bestellen!

 

 

Über Roland Rottenfußer:

Als Jahrgang 1963 wurde er in München geboren. Nach dem Germanistikstudium Tätigkeit als Buchlektor und Journalist für verschiedene Verlage. Von 2001 bis 2005 Redakteur beim spirituellen Magazin „connection“. Momentan u.a. für Konstantin Weckers Webmagazin www.hinter-den-schlagzeilen.de und für den Schweizer „Zeitpunkt“ tätig.

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Dieser Artikel Mystik als Religionskritik – Roland Rottenfußer ist zuerst auf MYSTICA.TV erschienen.

Qi Gong der Spontanbewegungen: Ein Tanz! – Frithjof Krepp

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Qi Gong ist mehr als Gesundheitsprävention. Qi Gong kann heilen, besonders dann, wenn man dem Qi die Freiheit dafür gibt. Dieser „Freiheitstanz“ des Qi’s beginnt aber erst nach der „normalen“ Qi Gong Praxis. Noch ist diese Möglichkeit in Deutschland nahezu unbekannt. Ihr Bekanntwerden könnte dem Qi Gong hierzulande einen kräftigen Aufschwung geben, weil bei diesem Qi Gong Stil die Selbstheilungskräfte enorm aktiviert werden, was zu den viel zitierten mystischen Qi Gong Wundern führen kann.

 von Frithjof Krepp

 

 

Meine ersten Erfahrungen mit den Spontanbewegungen:

Mitte der 1980er Jahre machte ich einen Taijiquan Basis Kurs bei einer Volkshochschule nähe Frankfurt/Main. Es war meine erste Begegnung mit dieser asiatischen Kunst, deren Hauptaspekte Gesundheit, Selbstverteidigung und Meditation sind. Ich lernte einen Teil des Yang Stils, eine Folge langsamer, fließender Bewegungen und praktizierte diese täglich etwa 20 Minuten. Einige Zeit nach Beendigung des Kurses stellte sich bei mir ein merkwürdiges Phänomen ein. Immer dann, wenn ich die Übung abgeschlossen hatte und entspannt stehen blieb, fing mein Körper an, sich von selbst unwillkürlich zu bewegen.  Manchmal weich und langsam, manchmal schneller, manchmal zuckend. Ich ließ dies zu, denn es war wie ein Tanz, aber ohne Musik, der sich gut und befreiend anfühlte. Da ich nie das Gefühl hatte, dass ich die Kontrolle über mich verlieren könnte, genoss ich diesen Zustand, bis er von ganz alleine wieder ausklang. Leider fand der Taijiquan Kurs keine Fortsetzung, und mein Interesse an weiterer Übungspraxis ebbte nach ca. zwei Monaten ab.

 

Meine Heilung durch das Qi Gong der Spontanbewegungen

Im Herbst 1987 begann für mich eine langjährige Gesundheitskrise mit permanentem Energiemangel und daraus resultierender verschiedenster Symptome. Heute würde man dazu Burnout Syndrom sagen. Ich konnte meinen Beruf als Lehrer an einer öffentlichen Schule ein halbes Jahr gar nicht ausüben. Auch danach war ein Einsatz nur mit 50% reduziertem Stundendeputat möglich. Es war eine lange Leidenszeit, in der ich viele verschiedene Therapien für mich anwandte, aber ohne durchschlagenden Erfolg.

Die Wende kam am Pfingstwochenende 1996. Ich hatte in einer Ankündigung des „Frankfurter Rings“ (Verein in Frankfurt/Main, der u.a. spirituelle Vorträge und Seminare organisiert) gelesen, dass die Qi Gong Großmeisterin Gao Yun mit ihrer Tochter Bai Yin erstmalig in Deutschland sei und an dem besagten Pfingstwochenende ein Qi Gong for Life-Seminar halten würden. Die Ankündigung sprach mich an, und ich entschloss mich, mir die beiden Frauen freitags, an einem Erlebnisabend, einmal anzuschauen, zumal ich über Qi Gong nichts wusste. Als Master Gao Yun im Rahmen des Abends ihre Qi Gong for Life Basis Form vorführte, berührte mich diese Vorstellung sehr, und ich entschloss mich kurzfristig an ihrem kommenden Wochenendseminar teilzunehmen.

Das Seminar fand in einem großen Saal mit über 60 Teilnehmern aus ganz Europa statt. Es hatte zum Ziel, dass am Ende der beiden Tage alle, neben der Erfahrung theoretischer Hintergründe des Qi Gongs, die ersten 18 Bewegungen der sogenannten Schwanen-Kranichübung des Qi Gong for Life-Stiles gelernt haben sollten.

Gegen Ende der Veranstaltung kündigte die Meisterin an, zum Abschluss der Übungspraxis Qi auf die Gruppe abgeben zu wollen, um den Teilnehmern den eigenen Qi Fluss zu erleichtern und zu verstärken. Hierzu sollten wir nach dem Ende der Übungsfolge einfach mit geschlossenen Augen entspannt stehen. Ich wusste nicht, was mich erwartete. Während ich eine angenehme Wärme, von den Fußsohlen ausgehend und über Füße und  Beine nach oben steigend, fühlte, nahm ich verstärkt viele Geräusche im Saal war. Ich öffnete kurz die Augen und sah eine Menge Teilnehmer, die sich spontan bewegten, manche sanft in den Armen und Hüften kreisend, manche mit den Füßen auftretend, manche mit schnellen zuckenden Bewegungen, manche gaben Töne von sich, manche weinten . . . Es war unglaublich. Wo war ich gelandet? Mein Geist riet mir, mich nicht ablenken zu lassen, wieder die Augen zu schließen und mich auf das einzulassen, was mit mir passierte, denn die innere Wärme war angenehm und breitete sich immer mehr in mir aus. Gleichzeitig fühlte ich mich immer schwereloser, und auch mein Oberkörper, meine Arme, Hände und Finger fingen an, sich unwillkürlich zu bewegen. Ich erinnerte mich an den Zustand, den ich fast zehn Jahre vorher nach meiner Taijiquan Praxis erlebt hatte. Nach ein paar Minuten dieses wirklich schönen Zustandes sagte Master Gao Yun, dass wir die Hände auf unseren Unterbauch legen und unser Bewusstsein dorthin fokussieren sollten, um das Qi dort einzusammeln. Dadurch hörten die Bewegungen rasch auf, und ich kam in einen Zustand tiefer, innerer Ruhe.

Ich folgte dem Rat von Master Gao Yun, den sie allen Teilnehmern zum Abschluss des Seminars auf den Weg gegeben hatte und praktizierte in den Folgemonaten täglich zweimal je ca. 20 Minuten Qi Gong for Life. Immer mehr spürte ich, auch ohne direkten Qi Empfang durch Master Gao Yun wie seinerzeit im Seminar, in den folgenden Wochen den Energiefluss. Die Spontanbewegungen am Ende der Übung zeigten mehr und mehr verschiedenste Formen. Dies fühlte sich durchweg angenehm an, egal was sich an Bewegungen oder auch Emotionen zeigte. Irgendwie schien dieser geheimnisvolle Tanz des Qi’s auch meinen Zustand zu verbessern, denn ich fühlte mich nach der Übungspraxis immer sehr gut.

Nach etwa vier Monaten hatten sich mein jahrelanger Energiemangel und die daraus resultierenden Symptome aufgelöst. Ich wieder gesund und in meiner Kraft!

In den folgenden Jahren begann ich, neben einer Qi Gong Lehrerausbildung bei Master Bai Yin, der Tochter von Master Gao Yun, Qi Gong auch bei anderen Lehrern zu lernen. Bei den meisten Lehrern waren die Spontanbewegungen gar nicht im Programm. Glücklicherweise begegnete ich im Shaolin Wahnam Institut in Frankfurt/Main Grandmaster Wong Kiew Kit, von dem ich vorher das Buch „Die Kunst des Qi- Gong“ gelesen hatte, ein Buch, in dem ich erstmals etwas über den geheimnisvollen freien Fluss des Qi’s gelesen hatte. Grandmaster Wong entstammt der Shaolin Tradition und hatte bereits 1997 die Auszeichnung weltbester Qi Gong Meister erhalten. In seinem Buch schreibt er, statt des Begriffs Spontanbewegungen, vom angeregten Qi Strom und von den Heilungen, die dadurch erreicht wurden und erreicht werden können.

Nach jeder Übungseinheit praktizierten wir in allen seinen Seminaren den angeregten Qi Strom. Aus seiner Sicht ist Qi Gong ohne Spontanbewegungen, wie er sagte, auf einem niedrigen Niveau und bessere Gymnastik. Wenn das so ist, fragte ich mich: Warum ist das Qi Gong der Spontanbewegungen in Deutschland nahezu unbekannt? Warum wird es in den Lehrerausbildungen nicht unterrichtet? Die Antwort findet man in der Qi Gong Entwicklung im China der 1980er Jahre.

 

Das Qi Gong der Spontanbewegungen in China

Das Qi Gong der Spontanbewegungen wurde, nach dem Ende der mörderischen Kulturrevolution unter Mao Tse Tung, im China der 1980er Jahre zu einer Massenbewegung. Es kam zu einem regelrechten Qi Gong Fieber, das das ganze Land zu erfassen schien und wurde zu einem Symbol des Aufbruchs nach etwa zehn Jahren Unterdrückung. Man fand sich in großen Gruppen, stellenweise zu Hunderten im Freien und in den Parks großer und kleinerer Städte, zusammen und praktizierte nach der üblichen Qi Gong Bewegungsfolgen des Kranich Qi Gongs Spontanbewegungen. Unter den Praktizierenden waren auch viele kranke Menschen und solche, die von den Ereignissen der letzten Jahre schwer traumatisiert waren. Diese verdanken in dieser Zeit dem angeregten Qi Strom Linderung und Heilung von selbst schwersten Erkrankungen. Leider wurde das Qi Gong der Spontanbewegungen nach einer raschen Blütezeit von der chinesischen Regierung verboten.

Dies hatte zwei Gründe. Konservative Richtungen des Qi Gongs sahen es als unmöglich an, dass man sich so extrovertiert in der Öffentlichkeit präsentierte, Emotionen zeigte, denn es kam auch zum Fließen von Tränen oder Wutausbrüchen. Aus traditioneller asiatischer Sicht kam dies einem „Gesichtsverlust“ gleich.

Die chinesische Regierung sah bald eine mögliche Gefahr, die von den Menschenmengen mit ihren sich frei bewegenden Körpern, von denen es in China immer mehr und mehr wurden, ausging. Wer sich frei bewegt, denkt demnächst das Wort Freiheit, spricht es aus, schreit es heraus, vielleicht mit einem Plakat auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking. Schnell hatte man den einen oder anderen Grund dafür gefunden, dieses politisch ungeliebte Qi Gong der freien Bewegung zu stigmatisieren. Es habe Verletzungen, ja sogar den einen oder anderen Todesfall gegeben, sagte man ihm nach. So verschwand das Spontan-Qi Gong mit seinem freien Fluss, zu Unrecht gebrandmarkt, wieder von der Bildfläche in China, nachdem es für einige Zeit große Hoffnung auf Gesundheit unter den Menschen gebracht und Begeisterung entfacht hatte.

Wer näheres dazu wissen möchte, dem empfehle ich die ausführliche Dissertation von Prof. Dr.Dr.Ots, der zu dieser Zeit in China war und seine Doktor Arbeit über das Qi Gong der Spontanen Bewegung schrieb unter dem Titel: Stiller Körper – Lauter Leib – Aufstieg und Untergang der jungen chinesischen Heilbewegung Kranich-Qi Gong.         

 

Das Qi Gong der Spontanbewegungen im Westen

Das Qi Gong der Spontanbewegungen verschwand zwar in der chinesischen Öffentlichkeit, um vereinzelt im Westen wieder aufzutauchen. Qi Gong Meister wie Master Gao Yun, Master Bai Yin, Grandmaster Wong Kiew Kit u.a., die die Spontanbewegungen als die Essenz der Qi Gong Praxis erkannt hatten, brachten diesen Stil in die westliche Welt, in die USA, Australien und Europa. Hier lebt er weiter und findet langsam mehr und mehr begeisterte Anwender. Mein Glück war es, diesen Lehrern zu begegnen und von ihnen lernen zu dürfen, wie man diesen freien Fluss der Energie, der den Körper spontan bewegt, in Gang setzt und seiner Kreativität Ausdruck verleiht, wodurch ein Raum entsteht, in dem das Qi in den Körper fließen kann, wo sich der sogenannte Yin und Yang Ausgleich vollzieht, das Qi die Blockaden in den Meridianen durchbricht, und Heilungsimpulse gesetzt werden.

Ich wünsche allen Qi Gong Praktizierenden diese wohltuende Erfahrung. Weiterhin hoffe ich, dass ich alle, noch nicht Qi Gong praktizierende Leser, mit diesem Artikel inspirieren konnte.

 

 

 

 

Über Frithjof Krepp :

Er ist Diplom Pädagoge und arbeitet langjährig als Qi Gong Lehrer und Lehrer für Meridianklopftechniken. Er gibt Wochenendkurse, Spezialkurse in Firmen, für Lehrkräfte, das Heil- und Pflegepersonal in Krankenhäusern und Seminarwochen auf Kreta. Qi Gong unter seiner Leitung wird von den gesetzlichen Krankenkassen mit mindestens 75 € bezuschusst.

www.lebensenergie-coaching.de

Dieser Artikel Qi Gong der Spontanbewegungen: Ein Tanz! – Frithjof Krepp ist zuerst auf MYSTICA.TV erschienen.

Ayahuasca: Einer uralten Medizin auf der Spur – Martin Zoller

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„Ayahuasca ist eine Medizin, die uns helfen kann, mit unserer Seele in Kontakt zu treten und zu lernen, wer wir wirklich sind“, so Martin Zoller. Er machte sich auf die Reise in den Dschungel Südamerikas, um Schamanen und die Pflanze selbst kennenzulernen und zu erleben. In diesem spannenden Reisebericht erzählt er von seinen Erfahrungen und einer ungewöhnlichen Vision.

Zu diesem Thema ist ein gleichnamiger Dokumentarfilm entstanden.

 

Eine Abenteuerreise zum Ursprung der Seele

Die Reise zu den Ursprüngen der Ayahuasca-Pflanze beginnt für Martin Zoller mit einer Vision. „Ich befand mich plötzlich mitten im Regenwald“, erinnert er sich, „und da erblickte ich einen Adler, der sich in die Lüfte hob. Er flog in eine große Stadt.“ Später verstand der Seher und Remote-Viewing Experte, was die Vision ihm sagen wollte: „Der Adler war der Überbringer einer uralten Medizin – er brachte Ayahuasca in die moderne Gesellschaft.“ Und so begab sich Zoller dorthin, wo Ayahuasca seinen Ursprung hat. Dorthin, woher der Adler in seiner Vision gekommen war.

Gemächlich tuckert der Bus über eine unebene Landstraße in den Dschungel. Drinnen halten sich die Fahrgäste an den Sitzen fest, aus den Lautsprechern tönen ecuadorianische Volkslieder. Martin ist nach stundenlangem Flug froh, dass er überhaupt einen Bus in die Urwaldregion an der ecuadorianisch-kolumbianischen Grenze erwischt hat. Jahrzehntelang galt das Gebiet als Sperrzone für Ausländer. Wenige Monate zuvor waren die Zufahrtsstraßen noch von schwer bewaffneten Soldaten der FARC bewacht worden, einer kolumbianischen Guerillabewegung, die sich bis Juni 2016 einen blutigen Bürgerkrieg mit der Regierung lieferte.

Die letzten 30 Kilometer auf den verschlungenen Pfaden im Dschungel legt der Schweizer stehend auf der Ladefläche eines kleinen LKW zurück. Um nicht herunterzufallen, halten sich er und seine Reisebegleiterin Karina Luna an einer dort installierten Leiter fest. Auch Karina sehnt sich nach der langen, beschwerlichen Reise nach einem Bett. Die bolivianische Schamanin führt seit fünf Jahren Ayahuasca-Zeremonien in ihrem Land durch. Sie ist es auch, die den Kontakt zu den Einheimischen hergestellt hat.

Als sich das Auto dem Indianerdorf nähert, dämmert es bereits. Im Dorf angekommen erscheint ein Indianer in westlich anmutender Kleidung an der Tür. Herzlich begrüßt er Karina und Martin. Es ist Norman Luis Piaguaje, der jüngere der beiden Schamanen des Siona-Stammes. „Kommt gleich mit“, sagt er und macht dabei eine einladende Handbewegung, „wir machen heute Abend eine erste Zeremonie.“

Schamane Norman in der Ayahuasca Küche

Norman führt Martin Zoller und Karina Luna durch den pechschwarzen Urwald. Mit einer kleinen Taschenlampe leuchtet er dabei einen winzigen Trampelpfad aus, während es in den Büschen und Sträuchern links und rechts raschelt. Nach wenigen Minuten stehen sie vor einer großen, einfachen Holzhütte auf einer künstlich angelegten Lichtung mitten im Dschungel. „Dies ist das Zeremonienhaus, die Maluca“, erklärt Norman.

Nun kommt ein älterer Indianer mit Federschmuck und rituellen Gegenständen um den Hals auf sie zu. Es ist Don Felinto Piaguaje, Normans Vater und der Oberschamane des Siona-Stammes. Höflich gibt der um die 70 Jahre alte Mann Martin die Hand und bittet ihn einzutreten. In der Maluca ist es dunkel. Eine Stunde lang liegen Martin, Karina und einige weitere Besucher in ihren Hängematten und lauschen den tropischen Vogelstimmen aus allen Richtungen. Dann werden sie zu Norman und seinem Vater Don Felinto gerufen.

Die beiden erfahrenen Schamanen beschreiben das Prozedere und geben Tipps: „Am besten ist es, sich für die Ayahuasca-Sitzung ein Thema vorzunehmen, das man bearbeiten möchte“, rät Don Felinto. Sein Sohn Norman fügt hinzu: „Wer sich übergeben muss oder ein Geschäft zu erledigen hat, geht bitte in diese Richtung“, und deutet mit seinem Arm hinter die Hütte. Schon bald wird Martin diesen Tipp zu schätzen wissen.

Dann entzünden die Schamanen Räucherwerk und stimmen rituelle Gesänge an, um das „Yahé“ zu beschwören – so nennen die Siona-Indianer ihr Gebräu. Bei diesem uralten Ritual werden die Ahnen angerufen, um während der Zeremonie Schutz und Hilfe zu leisten. Aus einem großen Topf verabreicht Norman dann jedem Gast ein kleines Glas, in dem sich die dicklich-braune Brühe befindet. Martin setzt das Glas an und trinkt es in einem Zug leer. Der Sud schmeckt bitter-säuerlich. Leicht benommen findet er seinen Weg zurück zur Hängematte. Dann ändert sich plötzlich alles…

 

Martin ist schlecht. Er springt auf und folgt Normans Wegbeschreibung hinter die Hütte, wo er sich zwischen den Sträuchern übergibt. Auch zu Durchfall soll es nach der Gabe von Ayahuasca immer wieder kommen. Beides empfinden die Konsumenten als befreiend und reinigend. Martin kehrt zu seiner Hängematte zurück und gibt sich der Erfahrung hin.

„Plötzlich tauchten meine Großeltern auf“, erinnert er sich. „Das war ganz real. Ich konnte sie wirklich sehen! Und dann lebte ich auf einmal nicht mehr dreidimensional, sondern wie in einem Hologramm. Meine Großeltern sahen so aus wie ich sie kannte, als sie alt waren. Sie haben mir ihre Präsenz gezeigt: Wir sind hier, wir gehören noch zu Dir. Da habe ich verstanden, dass sie gar nicht tot sind, sondern nur in einer anderen Dimension. Und was dann passierte, das war selbst für mich als Medium schon fast unglaublich!“.

Als die heftigsten Erfahrungen nachlassen, setzt sich Martin zu den beiden Schamanen Norman und Don Felinto, die inzwischen ein Feuer entfacht haben. Nachdenklich starrt der Ältere in die züngelnde Flamme. Früher sei hier alles anders gewesen, berichtet er. Alle Mitglieder seines Stammes trafen sich regelmäßig zu den Ayahuasca-Zeremonien. Die gemeinsame Erfahrung des Eins-Sein mit Allem stärkte das Gefühl, zusammen zu gehören, half dabei, Konflikte zu klären, Harmonie in der Gemeinschaft herzustellen.

Je nach Stamm unterscheidet sich die Zusammensetzung des psychedelischen Trunks ein wenig. Auch die Siona haben ihre Geheimnisse bei der Zubereitung, die sie nur mit wenigen teilen. Gringos – also solche wie Martin – gehören in der Regel nicht dazu. Doch tags darauf darf Martin den Schamanen Norman bei der Suche nach Ayahuasca-Bestandteilen begleiten. Geschickt klettert Norman zwei bis drei Meter einen Baumstamm hinauf. Mit einer großen Machete hackt er die Ayahuasca-Liane vorsichtig vom Baumstamm herunter.

Unten vor dem Baum hat Norman einen Plastiksack ausgebreitet, in den er die fertig zugeschnittenen Stücke hineinwirft. Mit dem vollen Sack auf dem Rücken geht es zurück zur „Küche“. Sie besteht aus einer an vier Holzpfeilern aufgespannten Plastikplane über einem großen Kochtopf, der auf eisernen Stangen über einer Feuerstelle steht. Dann gehen Norman und Martin erneut ins Dickicht. Ohne die Machete wäre hier kein Vorankommen möglich. Doch die Pflanze, die den psychoaktiven Wirkstoff von Ayahuasca enthält, wächst nur hier, an den unzugänglichsten Orten tief im Dschungel.

Die Maluka ist das Zeremonienhaus in dem die Rituale durchgeführt werden

Endlich sind sie angekommen. Mit routinierten Handbewegungen zupft Norman einige Blätter von einem unscheinbar wirkenden Strauch: Chacruna nennen sie die Siona-Indianer. Die Pflanze mit der botanischen Bezeichnung Psychotria viridis enthält das psychedelisch wirksame DMT. Nur gemeinsam mit der Liane entfaltet der Ayahuasca-Trunk seine bewusstseinsverändernde Wirkung. Denn die darin enthaltenen Harman-Alkaloide sorgen dafür, dass der Körper DMT nur sehr langsam abbauen kann. Dadurch erweitern sich die Sinne, öffnet sich der Zugang zur Geisterwelt…

Vier Stunden sind Martin und Norman bereits im Dschungel unterwegs. Inzwischen haben sie einen großen Sack mit Chacruna-Blättern gesammelt. Martins Körper ist übersät mit Mückenstichen. Seltsamerweise scheinen sich die kleinen Blutsauger kein bisschen für Norman zu interessieren, der mit kurzen Hosen und ärmellosem Hemd kaum einen Stich aufweist. Eigentlich wäre es nun Zeit für eine kleine Siesta – doch die wirkliche Arbeit fängt jetzt erst an.

Mit einem groben Holzknüppel dreschen Norman und sein Vater auf die Lianenstücke ein, die vor ihnen auf einem Stein liegen. Im Inneren offenbaren die aufgeplatzten Stängel rosarot gefärbte Holzfasern. Auch Martin macht mit. Das laute Tack-tack des Holzknüppels ist bis weit in den Dschungel zu hören. Während Don Felinto das Feuer unter dem großen Kessel entfacht, wäscht Sohn Norman die Chacruna-Blätter und sortiert einige aus. Viele Blätter sind von Insekten löchrig gefressen.

Endlich sind alle Zutaten im Topf. Das Feuer lodert, der Sud köchelt vor sich hin. „Wie lange dauert es jetzt, bis es fertig ist?“, fragt Martin den Oberschamanen. „Mindestens sechs Stunden muss das kochen – manchmal braucht es tagelang“, antwortet Don Felinto und lächelt über seine ungeduldigen westlichen Besucher…

Martin wagt es, die Eintönigkeit mit einigen Fragen zu unterbrechen. Woher weiß man als Schamane, welche Pflanze im Dschungel gegen welche Erkrankung hilft? Don Felinto schaut auf: „Für uns ist der Yahé-Trank ein Lehrmeister. Wenn wir Yahé einnehmen, dann verstehen wir, dass die Bäume auch Personen sind. Dann verraten sie uns ihr Geheimnis.“ Der alte Schamane wirft ein Stück Holz ins Feuer und fährt fort: „Manchmal kennt ein kleiner Baum sehr viel Medizin, und er erzählt mir, wie man sie zubereitet, damit sie wirkt.“

„Also verbindest Du Dich mit den Bäumen und sprichst mit ihnen?“, fragt Martin ungläubig. Don Felinto antwortet: „Naja, wenn man Yahé nimmt, dann wird man selbst zu einem Baum und man redet sozusagen unter seinesgleichen. Er sagt dann: Ich bin für das und das gut, und du musst mich so und so vorbereiten.“ Martin betrachtet die Flammen, die unter dem Kessel vor sich hin züngeln. „Was muss man als Schamane mitbringen, um ein solches Wissen über die Heilkräfte der Natur zu erlangen?“, fragt er. „Man muss rein sein in seinem Leben und in den Gedanken“, erklärt Don Felinto vieldeutig, „und man darf keine Angst haben. Dann wird man von Yahé zur Erkenntnis geführt.“

Am Abend beginnt die zweite Ayahuasca-Zeremonie. Martin hat sich ein Ziel gesetzt: Er will versuchen, Prophezeiungen zu empfangen. Nachdem Don Felinto und Norman ihre Schamanenkleider angezogen und Räucherwerk entzündet haben, reichen sie ihm und anderen den Trank. Doch diesmal hält der Geist von Yahé unangenehme Bilder bereit.
Während Martin im Dunkeln in seiner Hängematte liegt und darauf wartet, dass die Wirkung einsetzt, spürt er, wie eine dickflüssige, klebrige Flüssigkeit aus seiner Hängematte steigt und ihn bis zum Hals eindeckt. Er schaut an sich herab. Es ist Öl. Erdöl. Das Gefühl wird derart unangenehm, dass er seine Hängematte verlassen muss. Draußen im Dschungel hat sich alles verändert.

Wo vorher Bäume standen, erblickt Martin nun eine riesige Industrieanlage. Statt Baumstämmen erblickt er Kamine, statt Ästen Rohrleitungen, statt Büschen gebogene Drähte. Der Waldboden unter ihm leuchtet phosphoreszierend – fast so, als bestünde er aus Neonröhren. Martin ist von diesem Anblick derart überwältigt, dass er in die Zeremonienhütte zurückkehren muss. Nach einer kleinen Meditation wagt er sich wieder hinaus in den Dschungel. Nun ist seine Vision plötzlich anders. Aus den Drähten und Kaminen sind riesige menschliche Schatten geworden. Menschen überall, wohin das Auge blickt.

Doch diese Menschen verhalten sich sonderbar: „Ich sah, dass der eine Baum, der einen Mann darstellte, immer so eine Bewegung machte, als wenn er etwas trinken würde. Gleichzeitig hat er auf sehr hohle und sinnlose Art mit einer Frau kommuniziert, die neben ihm war. Und dann haben die ganzen anderen Bäume ringsherum angefangen zu lachen oder miteinander zu diskutieren, aber ebenfalls auf eine sehr hohle und monotone Art. Da habe ich verstanden, dass all dies Teil der Prophezeiung war.“

 

Hauptschamane Don Felinto, Martin Zoller und Karina, eine Schamanin aus Bolivien

Für Martin steht fest, dass er in jener Nacht einen Blick in die Zukunft der Menschheit warf. „Die Prophezeiung zeigte nicht irgendeinen dritten Weltkrieg, in dem die Menschheit ausgelöscht wird, aber trotzdem eine Warnung. Wir werden in eine technisierte Gesellschaft gehen, in der wir wie gehirnlos wirken, wo wir einfach trinken, rauchen und miteinander plaudern, aber zu keiner wirklich tiefen Auseinandersetzung mehr fähig sind, weder mit anderen noch mit uns selbst.“

Nachdenklich steuert er die letzten Etappe seiner Reise an – den Titicacasee, der größte und höchstgelegene Salzsee Südamerikas. Martin hat sich mit Ninnet Pereyra verabredet. Sie arbeitet als Psychologin in einer peruanischen Entzugsklinik. „Ayahuasca wird bei uns im Zusammenspiel mit anderen Therapieformen verwendet, um drogenabhängige Jugendliche auf einen neuen Weg zu bekommen“, berichtet sie ihm. „In La Paz zum Beispiel setzt man Ayahuasca erfolgreich ein, damit die Jugendlichen sich über ihre Situation klarwerden. Warum tue ich, was ich tue? Mit jeder Einnahme verstehen sie immer besser, wie sie abhängig werden konnten und lernen, sich zu hinterfragen: Was macht die Droge mit Dir? Aus welchem Grund nimmst Du sie? Wie gehst Du mit den Mitmenschen um? Was ist es, das Dir schadet?“ Die Erfolgsquote sei enorm, so Ninnet. Natürlich spiele auch die Betreuung durch geschulte Psychologen eine wichtige Rolle.

Die Abenddämmerung setzt ein. „Ist Ayahuasca vielleicht eine Art Weckruf, um uns wieder in Verbindung mit unserer Seele zu bringen?“, fragt Martin. Ninnet nickt. „Durch Ayahuasca habe ich verstanden, dass ich ein Teil des Universums bin – zwar nur ein ganz kleiner, aber ein ganz wichtiger.“

Von Martin Zoller

 

Film zum Thema:

„Ayahuasca: Einer uralten Medizin auf der Spur“
Ein Film von: Martin Zoller und Robert Fleischer
Protagonisten: Norman Luis Piaguaje, Don Felinto Piaguage, Karina Luna, Eveline Ballesteros, Ninnet Pereyra, Daniel Maldonardo
Laufzeit: ca. 78 Minuten
Sprache: Deutsch
EAN: 4260155682124
Bestellnummer: DOK17_03

Webseite zum Film: http://ayahuasca-film.de/

Infos zum Film von Exomagazin.tv (Robert Fleischer)

 

Eventtipp:

Martin Zoller ist einer der Referenten des zweiten großen Übersinnlichen-Kongresses „Medialität und Heilung“ am 17. und 18. März 2017 in Taufkirchen bei München. Dort wird er über seine Erfahrungen, schamanische Spiritualität und sein Talent als Seher sprechen und einen Workshop anbieten.

Dieser Artikel Ayahuasca: Einer uralten Medizin auf der Spur – Martin Zoller ist zuerst auf MYSTICA.TV erschienen.

Pflanzen sind Weisheitsträger – Karin Leffer

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Wer die Verbindung zur Natur verliert wird verrückt – ver-rückt im wahrsten Sinne des Wortes. Die Gedanken, Absichten und Taten sind weggerückt von dem Weg, den wir eigentlich beschreiten sollten. Die Autorin erhält auf medialem Wege Informationen der Pflanzenwesenheiten. So sprach sie für unseren Artikel mit dem Pfaffenhütchen…

von Karin Leffer

 

 

Schamanen raten also nicht ohne Grund dazu, sich so viel wie möglich in der Natur aufzuhalten. Sie selbst sind oft wochenlang im Wald, in den Bergen usw., weit weg von jeglichen Siedlungen, um ihr inneres Gleichgewicht wieder herzustellen und sich zu reinigen. Unser Geist soll wieder gerade gerückt werden, wenn wir also von einem Schamanen die Anweisung erhalten, in die Natur zu gehen. Warum ist das so? Wo ist der Unterschied zu unseren Wohnungen, Industrie- und Büroarbeitsplätzen? Es sind die Pflanzen und Tiere, die unser Innerstes berühren, die uns zu uns selbst zurückbringen. Schon ein kurzer Waldspaziergang gleicht unsere Stimmung aus. Das liegt nicht nur an der frischen Luft und der Bewegung. Es ist ein Netz von Energien in das wir eintauchen, ein Netz von Informationen, über die Düfte, Farben und Formen der Landschaft, der Pflanzen und Tiere. Alles um uns herum trägt eine Botschaft, will uns etwas sagen und beeinflusst uns unbewusst.

Früher, als die Menschen noch viel intensiver in der Natur und mit der Natur lebten, war der Zugang zu diesen Informationen und Naturwesen für die Menschen noch leicht. Heute, wo noch nicht einmal das Wetter eine große Rolle spielt, weil man sich die meiste Zeit in geschlossenen Räumen, womöglich noch klimatisiert, aufhält, ist es für die meisten Menschen schwierig geworden, die Botschaften der Naturwesen zu empfangen. Wir fühlen zwar die ausgleichende Wirkung, wenn wir einmal einen Spaziergang wagen, können aber noch nicht einmal mehr sagen, woher diese Wirkung kommt.

Die Pflanzenwesen haben eines Tages angefangen, mir zu erzählen, wofür sie auf diese Erde gekommen sind, welche Aufgaben sie haben und wie sie uns helfen, unsere Seelenaufgabe hier erfüllen zu können. Am Anfang wusste ich nicht, was der Zweck dieser Texte und Bilder war. Erst im Laufe der Zeit verstand ich, dass daraus ein Buch werden sollte. Sie übermittelten mir nicht nur die Texte, sondern auch symbolhafte Bilder als Ausdruck ihres Wesens. Ich bin immer wieder überrascht, wenn die Leser erzählen, wie treffend für sie die Aussage einer Pflanze war, die sie intuitiv ausgewählt hatten.

Sie sind uns ein Spiegel, halten uns einen Spiegel vor, warnen, beraten und helfen. Sie sind eingewoben in unseren Märchen, sind Teil der Geschichten und man fragt sich, was war zuerst da, das Märchen oder die Pflanze.

Nehmen wir das Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus). Sie wird auch Spindelstrauch genannt, weil aus ihr früher Handspindeln hergestellt wurden. Alle Teile dieser Pflanze sind giftig, besonders die Samen.

 

©2017Karin Leffer und Reichel-Verlag

Das Pfaffenhütchen – die Zauberin

„….. Ich bin eine starke Pflanze, eine Feenpflanze, eine Zauberin mit Verbindung zur Anderswelt, für Verschwörungen, Verwünschungen und Zauberformeln. Ich bin in beiden Welten zuhause – in der Wirklichkeit und in der nichtalltäglichen Wirklichkeit. Ich bin eure Botin, Nachrichtenübermittlerin an die Anderswelt, an Urds Netz….“

(Erläuterung: Urd, Verdandi und Skuld sind nach der germanischen Mythologie die drei Schicksalsgöttinen, die älter sind als alle anderen Wesen und an einem Brunnen am Fuße des Weltenbaums sitzen. Dabei spinnt Urd den Schicksalsfaden, Verdandi misst ihn ab und Skuld schneidet den Faden ab.)

„…. Du hast mich gewählt, weil du Schutz brauchst vor negativer Energie, die dir entgegengebracht wird, vor Angriffen von negativer Energie und vielleicht sogar von schwarzmagischen dunklen Energien. Ich werde dich schützen und die Energien wandeln, wie die Fee bei Dornröschen, die den Tod in einen 100jährigen Schlaf wandelte. Ich bin deine Botin zu den Wesen der Anderswelt.

Aber hüte dich selbst vor der Aussendung von negativen Wünschen, alles kommt siebenfach verstärkt zurück. Es liegt kein Friede darin andere Menschen beeinflussen zu wollen, auch wenn es gut gemeint ist. Überlege also wohl, was du wünschst.

Ich bin deine Spindel, mit der du den Schicksalsfaden spinnst, deinen Schicksalsfaden.

Deinen Schicksalsfaden zu Urds Netz mit dem alles und jedes verwoben und verbunden ist. Ich bin dein Zugang zu Urds Netz, zu Urd, zu Verdandi und Skuld, die an der Quelle am Fuße des Weltenbaumes sitzen, den Schicksalsfaden spinnend, abmessend und abschneidend, wenn die Zeit gekommen ist.

Ich bin die Spindel von Urd. Ich bin dein Bote zu Urd an der Quelle. Schade dir nicht selbst. Nutze mich weise, wie die Weisen Frauen. Ich bin die Pflanze der Spinnerinnen. Ich bin der Spindelbaum, der ein Geschenk in deinen Händen sein kann, aber auch ein Gift.

Du spinnst deinen Schicksalsfaden selbst und doch nicht….

….. Besuche mich im Riss zwischen den Welten, zwischen Licht und Finsternis und ich werde dir eine treue Gefährtin sein, deinen Schicksalsfaden spinnend, drehend, wie die Schnur der DNS, wie die Spirale des Lebens.

Ich bin in deinen Händen und zugleich in Urds.“

 

Buch der Autorin:

„Heilende Pflanzenwelten“ von Karin Leffer

Verlag: Reichel (2017)

Umfang: 263 Seiten, kartoniert

Preis: 19,90€

ISBN: 978-3-946433-95-8

Hier bestellen!

 

 

Über Karin Leffer:

In ihrer Praxis bietet sie Workshops an, veranstaltet Meditationen und schamanische Trommelreisen und arbeitet an einem zweiten Buch. Es ist Ihr eine große Freude als Botschafterin für die Pflanzenwesen tätig zu sein und ihre Geschichten zu erzählen.

www.die-regenbogenbruecke.com

 

 

Dieser Artikel Pflanzen sind Weisheitsträger – Karin Leffer ist zuerst auf MYSTICA.TV erschienen.

Der Weg zum Glück: Was tun? – Michael Weinert

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Wer von uns möchte nicht glücklich, gesund und in Fülle leben!? Aber wer von uns tut es wirklich und wie kommt man da hin? Michael Weinert hatte, wie er es heute sieht, das Glück, bereits mit 38 Jahren den Zusammenbruch zu erleben. Die aus der Verzweiflung resultierende Offenheit für bis dahin von ihm belächelten alternativen Weisheiten und Heilmethoden führten ihn im Verlauf der nächsten gut 10 Jahre in ungeahnte Bereiche des Wohlgefühls und der Fülle. Vom Sternzeichen Jungfrau her analytisch begabt, schildert er hier die Faktoren, die für ihn den Erfolg seines Weges ausmachen. Denn er wollte nicht nur suchen und auf dem Weg sein, sondern auch finden und ankommen. Und das, wenn möglich, in überschaubarer Zeit…

von Michael Weinert

 

 

Alles, was ich anpacke, mache ich gründlich, effizient und mit 100 Prozent Einsatz. Und so knallte mein Leben im Jahr 2003 mit Vollgas am Ende der Sackgasse frontal gegen die Mauer. Alles, was ich bis dahin an Wissen und Können angesammelt hatte – und darauf war ich mit Recht stolz, denn ich war in vielen Disziplinen in der Spitzengruppe – hatte mich nicht davor bewahren können, dass ein sehr schmerzhafter Bandscheibenvorfall mir eine mögliche Arbeitsunfähigkeit als Außendienstler vor Augen führte, meine langjährige Partnerschaft (vom 19. bis 38. Lebensjahr) in Trümmern lag und der Arbeitsberg vor meinen Augen nicht kleiner sondern immer größer wurde, obwohl ich meine Arbeitsgeschwindigkeit und -effektivität stets weiter gesteigert und die Ruhepausen minimiert hatte. Ich war kräftemäßig am Ende und ratlos. All mein Wissen und Können war ohne Wert und hatte die Katastrophe nicht abwenden können.

Heute weiß ich, dass genau das Aufgeben der Glaubensmuster, die mich dahin geführt hatten wo ich damals war, der Startpunkt meines Heilungsweges war. Nicht jeder braucht den schmerzhaften Weg über die Erfahrung, um zum Loslassen zu kommen, aber wohl die meisten, zumindest noch in meiner Generation (Jahrgang 1964). Ich habe das Gefühl, dass bei der nachfolgenden Generation zunehmend mehr Offenheit für alternative Denkweisen und weniger Bereitschaft zur Selbstkasteiung vorhanden ist. Das würde den leichteren Lernweg, nämlich den durch Erkenntnis, befördern und harte Erfahrungen durch Widerstand gegen den Fluss des Lebens verringern.

Heute, wo ich mich angekommen fühle und nicht mehr auf der Suche befinde, in großem Umfang die Früchte meiner inneren Reise ganz konkret auch im täglichen Leben genieße, kann ich Schwierigkeiten und Hindernisse benennen, die mir auf dem Weg vom Startpunkt in Richtung Ziel begegneten und mich damals noch sehr irritiert, zum Teil frustriert haben und manchen Impuls verursacht haben, den Weg aufzugeben, weil ein Erfolg nicht absehbar war. Ich hatte auf halbem Weg durchaus Befürchtungen, ein esoterischer Spinner zu werden, der weder weiterhin beruflich erfolgreich sein würde, weil er dafür zu wenig arbeitet, noch am Ziel des inneren Glücks und der Zufriedenheit jemals ankäme, weil es sich beim ernsthaften Ausprobieren vielleicht doch nur als eine schöne Illusion herausstellen würde.

Auf der anderen Seite gab es in meinem Kopf irgendwann eine Gewissheit, dass ich mir die Folgen weiteren unbewussten Handelns auf Dauer gar nicht würde leisten können – die Folgen in Form von Schicksalsschlägen, Krankheiten und ähnlichem. Ich war entschlossen, meine aus dem Studium der Bücher und Seminare entstandene Schlussfolgerung in aller Konsequenz auszuprobieren. Irgendwie überzeugt, dass die Investition von mehreren Tausend Euro pro Jahr in Seminare und Heiler sowie der täglichen Stunden an Geistesschulung über Bücher, Meditationen, den „Kurs in Wundern“ etc. sich am Ende auszahlen würden in Form eines ruhigen, dramafreien Lebens bis hin zu einem ruhigen, harmonischen Lebensende. Alle Hinweise in meinen Quellen deuteten darauf hin, dass es so sein müsse, aber ich hatte keine Beweise, ob es bei mir und im Alltag so funktionieren würde und niemanden, der mir dies wirklich bestätigen konnte. Im Gegenteil, viele in meiner Nähe zogen skeptische Mienen und ich war allein auf meinem Weg ins Unbekannte.

Daher will ich allen, die auf dem Weg sind oder es sich überlegen, ob sie starten sollen, und denen, die vielleicht gerade auf halbem Weg kurz davor sind umzudrehen, Mut machen und Klarheit verschaffen über die hindernden Mechanismen, die wohl in uns allen mehr oder weniger wirken, und die Vorgehensweisen aufzeigen, die uns durch Krisen hindurch zum Ziel helfen. Ich sehe auch viele, die schon lange auf dem Weg sind, aber sich immer noch auf der Suche befinden statt irgendwann das Gefühl zu haben, angekommen zu sein. Ich möchte daher auch Mechanismen benennen, die in meinen Augen den Unterschied zwischen “Ankommen” und “auf dem Weg sein” ausmachen.

 

Ausdauer und Demut

Diese zwei Eigenschaften, die im Mainstream wenig Konjunktur haben, helfen uns auf dem Weg. Beide können aber leicht als Leidensfähigkeit und Selbsterniedrigung missdeutet oder fälschlicherweise als solche gelebt werden. Der ungeschulte Geist wird vom Ego / Schmerzkörper gesteuert und daher immer wieder zu leidhaften Erfahrungen als Ladestation und Verstärkung dieses Geisteszustandes geführt (das Ego / der Schmerzkörper haben nach meinem Verständnis keine selbständige Existenz, sondern sind Geisteszustände). Ausdauer in meinem Sinne heißt, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, egal wie die derzeitige Reaktion oder Befindlichkeit meines Systems darauf ist. „Ein Kurs in Wundern“ formuliert es wunderbar und das gilt für alle heilsamen Nachrichten und Ideen, die uns in verschiedenster Form auf unserem Weg begegnen können:

“Es wird dir schwerfallen, manche der Gedanken, die im Übungsbuch dargelegt werden, zu glauben, andere wieder mögen dir ziemlich überraschend vorkommen. Das spielt keine Rolle. Du wirst nur gebeten, die Gedanken so anzuwenden, wie du angeleitet wirst. Du wirst nicht gebeten, sie überhaupt zu beurteilen. Du wirst nur gebeten, sie anzuwenden. In ihrer Anwendung wird sich dir ihre Bedeutung erschließen, und sie wird dir zeigen, dass sie wahr sind. Denke nur an dies: Du brauchst die Gedanken nicht zu glauben, du brauchst sie nicht anzunehmen, du brauchst sie nicht einmal willkommen zu heißen. Einigen darunter wirst du dich vielleicht aktiv widersetzen. Nichts von alledem spielt eine Rolle, noch wird es ihre Wirksamkeit vermindern. Erlaube dir aber nicht, bei der Anwendung der Gedanken, die das Übungsbuch enthält, Ausnahmen zu machen, und wende sie an, was auch immer deine Reaktionen auf diese Gedanken sein mögen. Nicht mehr als das ist erforderlich.”

Nett gesagt: „Nicht mehr als das ist erforderlich“! Dies bedeutet nämlich das extrem Herausfordernde, was ich mit Demut meine; die dem Ego und konventionellen Denken genau entgegengesetzte Überzeugung: „Ich weiß eben nicht, was wirklich gut für mich ist. Denn wüsste ich es, wäre ich nicht da gelandet, wo ich derzeit bin. Würde ich mich da wohlfühlen, wäre ich nicht auf der Suche!“ Diese schlichte Logik hat mir geholfen in vielen Momenten, wo mir blindes Vertrauen in den neuen Weg und Loslassen aller alten Sicherheiten schier unmöglich schien. Aber anders hätte Christoph Kolumbus nicht Amerika gefunden…

 

Gehe weiter als Du meinst!

Auf dem Weg zu Fülle und innerer/äußerer Gesundheit hat mich immer wieder beeindruckt, wie das Universum alles viel tiefgründiger meinte, als ich erst dachte. Mich darauf einzulassen, wurde mit Wohlgefühl, positiven Erfahrungen und Heilungen belohnt, die jenseits dessen waren, was ich mir bis dato vorstellen konnte. Wir sollten uns bewusst sein, dass unser Denken und Vorstellungsvermögen nur relativ funktioniert. Die oberste Grenze dessen, was wir erlebt haben, sind für uns 100 Prozent. Mehr scheint uns unbewusst nicht möglich zu sein und damit sind wir zufrieden. Das Universum will uns aber die ganze Fülle zeigen und zur Verfügung stellen, dazu braucht es unsere Offenheit für ein Mehr, die 200 und 300 Prozent, die Vorstellungskraft für ein Land jenseits des eigenen geistigen Gartens.

Es gibt immer wieder außergewöhnliche Menschen, die uns diese Welt jenseits unseres Theatervorhangs aufzeigen. Denken wir nicht, sie lebten in einer anderen Welt, die uns verschlossen wäre! Lassen wir uns inspirieren statt frustrieren vom scheinbar übermächtigen Vorbild. Wir alle sind auf geistiger Ebene aus demselben Holz geschnitzt. Was einem Einzigen gelingt, kann auch mir gelingen. Wenn ich etwas noch nicht kann, heißt es nur, dass ich noch etwas üben sollte oder noch unbewusste Hindernisse in mir existieren, die auf Heilung und Anschauen warten – das ist alles! Ich kann sie aus dem Weg räumen, ob in dieser Inkarnation oder in anderen, ob in dieser Dimension oder anderen – was soll’s?! Die Wege sind individuell, das Ziel ist universell.

 

Raus aus dem Widerstand

Um ungeahnte Potentiale und Möglichkeiten für sich entfalten zu können, ist es unabdingbar, darauf zu verzichten recht haben zu wollen mit den eigenen Einstellungen, Meinungen und Urteilen über eine Situation. Zum Beispiel, dies oder jenes wäre für mich nicht zumutbar / zu gefährlich / nicht gut für mich etc.  Das ist gefühlt eine echte Zumutung für das Ego, wie so viele andere Anforderungen auf dem Weg auch. Aber wir wollen ans Ziel und jenseits der engen Grenzen des bisherigen Lebens und so lassen wir uns wieder einmal entgegen unserer spontanen Gefühlsregungen auf dieses Experiment ein… – es wird sich lohnen! Wie sehr, das sehen wir erst hinterher, im Vorhinein bekommen wir keine Garantien. Am konsequenten Ausprobieren führt kein Weg vorbei. Schlauer sind wir nur hinterher!

 

Wegweiser und Leuchttürme

Ich bin dankbar für alle – auch oder gerade die schmerzhaften – (Partnerschafts-)Erfahrungen, Heiler und Autoren, die mir auf dem Weg begegnet sind und weiter begegnen. Je mehr ich lerne, auf Widerstand und Urteilen zu verzichten, umso leichter und schöner wird mein Leben. Es braucht immer wieder mal Wegweiser und im Fall von Orientierungslosigkeit im Nebel auch Leuchttürme und sie kommen immer zur rechten Zeit, auch wenn ich manchmal noch zu ungeduldig sein mag. Aber wenn ich auf Höhe des Leuchtturms oder am Wegweiser vorbei bin, hat er seine Funktion für mich erfüllt und der nächste Wegweiser oder Leuchtturm weiter vorn wird wichtig für mich. Das buddhistische „nicht Anhaften“ bekommt so seinen Sinn für mich: nicht anhaften an Situationen und Positionen, nicht an Materiellem und nicht an Personen. Alles hat seine Zeit, es kommt und geht. Das Ewige ist nicht auf der Ebene der wandelbaren Formen zu finden.

 

Wie innen so außen

Ich habe gelernt, das Außen als Spiegel meines Innen zu begreifen. Wenn mir das Gesicht im Spiegel nicht gefällt, hilft es nichts, den Spiegel auszutauschen (Partner, Arbeitsstelle, Wohnort). Ich selbst muss zum Lächeln finden – und zwar unabhängig von den äußeren Umständen! Erst wenn mir dies gelingt (nicht immer, aber immer öfter), werden die äußeren „Lehrer“ unnötig und verschwinden aus meinem Leben – ganz von selbst. Probleme lösen sich auf, Menschen oder Umstände verschwinden aus meinem Blickfeld und andere Optionen tauchen von alleine auf. Aber eben nicht aktiv von mir erdacht und mit Macht gesteuert, sondern von selbst, durch den Fluss des Lebens. Nur dieser weiß, was wirklich wie lange gut für mich ist. Das können, bei entsprechendem inneren Widerstand, gerade die herausfordernden, mich aufregenden Dinge sein. Je mehr ich dies erkenne und tatsächlich ohne operative Zuwiderhandlungen geschehen lassen und leben kann, umso mehr ändert sich mein Leben vom Widerstand gegen Etwas zum freudigen Wählen dessen, wo es mich mit dem Herzen hinzieht und was mir „von selbst“ in den Schoß fällt.

 

Gestalter statt Spielball

Sobald man das, was einem im Leben als scheinbar zufälliges Schicksal, Krankheit und Drama begegnet, nicht mehr als „reinen Zufall“ begreift, sondern als etwas, was einem aufgrund der aktuellen inneren Resonanz zufällt (nicht im Sinne von Schuld sondern im Sinne eines hilfreichen Feedbacks des Universums), dann wandelt sich das Selbstverständnis weg vom Spielball des Lebens („Ich kann ja sowieso nichts ändern oder bewirken, muss froh sein wie es läuft“) hin zu einem aktiven Gestalter und Entwickler des eigenen Lebens („Ich kann mich ent-wickeln und allmählich aus früheren Verstrickungen lösen, dadurch mein Leben einfacher, leichter und schöner machen“).

Man kann lernen, die Zeichen zu deuten und für die eigene Entwicklung zu nutzen – ähnlich wie beim Spiel „Topfschlagen“, wo wir selbst blind sind, uns andere aber „heiß / kalt“ zurufen und so die Richtung weisen. In dem Maß, wie wir bereit sind dies als wahr anzunehmen, werden wir Erfolge verbuchen und entsprechend motivierende Erfahrungen machen können. Umgekehrt gilt das aber auch; jedem geschieht tatsächlich nach seinem Glauben! Wir erschaffen mit unseren Glaubenssätzen Realitäten für uns. Wir haben die Macht der Wahl, was wir erleben wollen (Ohn-Macht oder Macht). Das heißt Aufwachen. Allerdings nicht zu verwechseln mit Wunschdenken, das wäre die unerlöste Seite (ich möchte etwas bekommen oder Leidensdruck verringern, ohne mich selbst verändern und weiterentwickeln zu müssen).

 

Schmerz-Recycling

Eine der lang geübten Gewohnheiten, die wir uns unbedingt abtrainieren müssen, wenn wir zu innerem Frieden unabhängig von äußeren Umständen gelangen wollen, ist Schmerz-Recycling. Denn in der „Realität“ passiert ein bestimmter Vorgang nur einmal, im nächsten Moment ist er schon vorbei. Wir aber wiederholen hundertfach den Schmerz oder das Problem im Kopf und machen es dadurch erst (zu) schwer, belastend, langdauernd und bedeutsam für uns. Das Körpersystem reagiert erwiesenermaßen auf Gedanken genauso real wie auf das ursprüngliche Erlebnis. So entsteht Krankheit im Lauf der Zeit. Die „Realität“ wäre vergleichsweise harmlos – das einmalige schmerzhafte oder aufregende / belastende Erlebnis könnte unser Körper-Geist-System vergleichsweise leicht „verschmerzen“. Erst das ständige Schmerz-Recycling im Denken macht es untragbar. Das Erlebte wird im (Ego-)Geist negativ multipliziert und dadurch entsteht die dramatische Wirkung auf uns.

Durch immer wieder geübte Wachheit, Gedankendisziplin und Heilung von Schattenthemen mittels professioneller Begleiter versetzen wir uns allmählich in die Lage, nicht mehr so stark und ungefiltert auf das Außen zu reagieren. Wir spüren zwar noch die Initialreaktionen (Emotionen, Körperreaktionen, Gedanken), verzichten aber darauf, die Geschehnisse / Mitmenschen beeinflussen zu wollen, um vermutete negative Verläufe zu verhindern. Wir lassen ohne Gegenmaßnahmen unsererseits mit offenen Augen die scheinbare Katastrophe sich entwickeln und geschehen! Unsere Aufgabe besteht darin, nicht zu agieren, sondere alle Kraft darauf zu verwenden, durch geistige Übung möglichst bald wieder in die eigene innere Mitte und zu dem Blickwinkel zu kommen, von dem aus sich das Ganze ruhig und schmerzfrei anschauen lässt. Dieser Prozess ist zu Beginn höchst anspruchsvoll und sollte die komplette eigene Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dann ist nämlich auch keine Aufmerksamkeit mehr für das Drama „außen“ übrig. Wer das konsequent übt, wird allmählich feststellen, wie die Anzahl der schmerzhaften Wiederholungen im Geist allmählich zurückgeht und damit auch die mentale und körperliche Reaktion und Belastung sinkt. Der erste Schmerz wird weiterhin erlebt (soll nicht verdrängt, darf wahrgenommen werden), aber er wird immer weniger oft gedanklich wiederholt, das ist das Ziel der Übung.

Auf die Wiederholung einer schmerzhaften Vergangenheit und Vorwegnahme einer scheinbar sorgenvollen Zukunft im Geist zu verzichten, reduziert die durchschnittliche Denkbelastung enorm und hebt die Stimmung. Es bleibt mehr Energie für Positives übrig, zum Beispiel die Gedankenenergie in inspirierende Fantasien und motivierende Zielvorstellungen zu stecken. Das erhöht aufgrund der geistigen Gesetze die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens und macht die Bahn frei. Statt dass ich mir Sorgen mache (die genau genommen nur eine andere Form der Fantasie sind, aber leider auf geistiger Ebene hochwirksame energetische Hindernisse bauen), drehe ich meine Denkrichtung um und male mir zum selben Thema aus, wie es gut ausgehen könnte. Ich erzähle mir selbst also positive statt negative Geschichten, wenn das Geschichtenerzählen im Geist schon nicht gestoppt werden kann. Gedanken formen Energie formt „Realität“: Außerkörperliche Erfahrungen (William Buhlman: „Out of Body“) und Durchsagen der geistigen Welt (Eva Herrmann: „Von Drüben“) sprechen davon sehr eindrücklich. Die enormen positiven Auswirkungen auf die eigene Grundgestimmtheit, die Anzahl positiver „Zufälle“ im Leben und das tägliche geführt Sein vom Universum sind im Vorhinein gar nicht zu ermessen, aber aus eigenem Erleben ganz deutlich zu bestätigen.

Letztendlich beruht der vorübergehende Erholungseffekt durch Ablenkung (Fernsehen, Smartphone, Zeitunglesen, Alkohol, Freizeitgestaltung, Hobby, Urlaub) ebenfalls auf dem Unterbrechen des belastenden Gedankenstroms („mal auf andere Gedanken kommen“). Im Gegensatz zur oben angesprochenen Veränderung destruktiver Denkgewohnheiten bringt Ablenkung jedoch weder Heilung noch Problemlösungskompetenz, sondern Abhängigkeit. Denn sobald die Ablenkung zu Ende ist, beginnt der belastende Gedankenstrom von Neuem, darum verpufft z.B. ein Urlaub oder der Glücksmoment durch einen neu gekauften Gegenstand so schnell und zwingt zur Wiederholung. Eine dauerhaft manifestierte Denkgewohnheit des stetigen, ausnahmslosen(!) Nicht-Reagierens schenkt hingegen inneren Frieden unter allen Umständen – und nur dies ist wirklich innerer Frieden statt vorübergehendem Wohlgefühl.

 

Wissen alleine reicht nicht

Eine weit verbreitete Stolperfalle selbst noch in für Selbstentwicklung aufgeschlossenen Kreisen ist das „Ich weiß!“ oder „Kenne ich!“. Letztendlich sind diese Sätze nur Abwehr, etwas näher an sich heranzulassen. Wir glauben aus unserer Schulerziehung, dass Wissen Macht sei und somit ausreiche. Dies ist ein Irrtum. Das Universum interessiert sich nicht dafür, was wir wissen, sondern dafür was wir im Innersten (ggf. unbewusst) glauben, also aus welchen Überzeugungen heraus wir letztendlich entscheiden und handeln. „An ihren Taten werdet ihr sie erkennen.“ Unser Wissen wird mit dem Ende der Körperhülle ebenfalls kompostiert, unser Bewusstsein mit seinen Grundschwingungen dagegen existiert weiterhin und erschafft für uns relevante Realitäten, wie es das schon immer getan hat und weiter tun wird.

Wissen und Erkennen ist zweifellos ein wichtiger Schritt, aber nur der erste. Den zweiten versucht das Ego / der Schmerzkörper trickreich und häufig erfolgreich zu untergraben (z.B. durch obige Sätze), denn der führt zur (Er-)Lösung: Das Integrieren des Wissens in mein System, so dass es ein untrennbarer Teil bis hin ins Un(ter)bewusste von mir wird – ich das also bin was ich vorher nur als sinnvoll erachten konnte und wusste. Dass zum Beispiel Frieden und Vergebung ein Automatismus und Charakterbestandteil in mir wird, nicht ein willentlicher Akt bleibt, auf bestimmte Situationen oder Personen beschränkt. Die Ausnahmslosigkeit und Widerspruchsfreiheit im Handeln und Denken ist ein wichtiges Kriterium, an dem ich das feststellen kann – bei mir und bei anderen. Und wer ausnahmslos und widerspruchsfrei etwas integriert hat, der muss es gegenüber anderen auch nicht mehr begründen oder verteidigen. Er tut es einfach, weil es stimmig ist, ein untrennbarer Teil der Persönlichkeit geworden ist und die gewünschten Erfolge bringt, egal was andere davon halten. Auf dem Weg dorthin ist missionarischer Eifer ein vermutlich häufiges Übergangsstadium, das ja auch andere anstupsen und inspirieren kann. Als Dauerzustand ist er verdächtig.

 

Glücklich sein ist gar nicht so leicht

Eine schwer zu verdauende Erkenntnis kam für mich, als im Außen bereits alles sich zum Guten gewendet hatte, mein Beruf in ruhigere und dennoch erfolgreiche Gleise gekommen war, eine tolle Partnerschaft möglich wurde und ich viele alte Körpersymptome hatte dauerhaft heilen können. Ich war nämlich immer noch nicht glücklich und mit sorgenvollen Gedanken geplagt – dabei fehlten jetzt die konkreten Anlässe im Außen! Deutlicher konnte mir das Universum nicht zeigen, dass stimmt, was ich immer wieder gelesen hatte: Die Quelle für Unglücklichsein ist nicht außen zu finden, sondern innen. Es bedurfte (und bedarf bis heute) weiterer Schritte innerer Heilung und geistiger (Selbst-)Schulung, um die Momente inneren Friedens auszudehnen zu Phasen und die Phasen immer weiter auszudehnen, bis der Zustand inneren Friedens dauerhaft etabliert ist.

 

Angekommen

Ich fühle mich heute angekommen, bin nicht mehr auf der Suche. Mein Werkzeugkoffer für Selbstheilung und Geistesschulung ist gut gefüllt. Ich muss nicht noch mehr Werkzeuge hinzufügen, sondern möchte mich im Gebrauch der vorhandenen Werkzeuge vervollkommnen. Ich meditiere nicht mehr im eigentlichen Sinne, da mein (all)tägliches Leben ein harmonisches Gesamtkunstwerk sein soll, durchdrungen von Bewusstheit und Frieden, was ich als noch anspruchsvoller erlebe als das Pendeln zwischen Meditation einerseits und Alltag andererseits. Inzwischen geht es mir um die Synthese von beidem.

Ich genieße weiterhin fallweise die Unterstützung genialer Heiler, von denen es mehr gibt als man denkt. Ich nutze weiterhin dankbar die Inspiration durch gute Bücher und Medien wie Mystica.tv. Das Internet ist diesbezüglich ein Segen, da alternative Informationen, Vorträge, Interviews und inspirierende Vorbilder nur einen Mausklick entfernt sind. Parallel existieren die Universen der Probleme und der Lösungen nebeneinander, wir brauchen nur zu wählen und keiner zwingt uns zu etwas, außer vielleicht wir uns selbst und das können wir erkennen und loslassen. Ist das nicht wunderbar?!

 

 

Über Michael Weinert:

Jahrgang 1964, gelernter und studierter Gärtner. Bis zum Alter von 38 Jahren beruflich erfolgreicher Workoholic, dann Kollaps mit Burnout und Scheitern einer 19 Jahre währenden Beziehung. Kompletter Wandel vom rein naturwissenschaftlich orientierten Menschen hin zu alternativen Heilmethoden und Denkweisen, Umzug von der Stadt aufs Land und freiwillige Aufgabe einer Festanstellung für die berufliche Selbständigkeit. Intensiver Heilungsweg mittels zahlreicher Heiler, Seminare und Bücher (nachzulesen auf seiner Homepage mit vielen Quellenangaben). Heute sehr glücklich, gesund und zufrieden im bayrischen Oberland lebend.

www.kurz-nachdenken.de

Dieser Artikel Der Weg zum Glück: Was tun? – Michael Weinert ist zuerst auf MYSTICA.TV erschienen.

Ken Wilbers integrales Modell – Torsten Brügge

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Für viele Diskussionen rund um das Thema Spiritualität, sowie deren Beziehung zu psychologisch-spiritueller Entwicklung und sonstigen Lebensfeldern, ist die Sichtweise des Integralen Modells nach Ken Wilber hilfreich. Es beschreibt, wie umfassende spirituelle Freiheit und Weisheit mehrere Aspekte umfasst. Dabei gibt es nach Wilber drei Hauptthemen, die nur in ihrer Gesamtheit authentische spirituelle Befreiung und deren Lebensbezug verständlich werden lassen. Man könnte sie „Grunddimensionen“ nennen. Im englischen Original: „Wake up“, „Grow up“ und „Clean“ up.

von Torsten Brügge

 

Nach meinen nunmehr 25 Jahren als „spiritueller Finder“ und ca. 18 Jahren (auch) als „spiritueller Lehrer/Begleiter“ bildet diese integrale Sichtweise die bisher besten und genausten Beschreibungen, spirituelle Freiheit auf einer Meta-Ebene zu reflektieren. Hier will ich eine sehr komprimierte Zusammenfassung der drei Grunddimensionen erläutern. Wer sich eingehender damit beschäftigen will findet Hinweise dazu am Ende des Textes.

Sich mit diesen Grunddimensionen zu beschäftigen, erweitert den eigenen Horizont für individuelle und kollektive Entfaltung von Bewusstsein und lässt einen in manchen Debatten und Diskussionen schnell erkennen, wo welche Grunddimensionen angesprochen werden und ob es ausgewogene oder einseitig verzerrende Perspektiven sind.

Ein Hinweis: Das Integrale Modell umfasst tatsächlich noch weitere wichtige Elemente. Allerdings werde ich darauf aus Gründen der Vereinfachung in diesem Text nicht eingehen.

 

WAKE UP – Erwachen zum Einssein

Die erste Grunddimension nennt Wilber „Zustandserwachen“ (englisch: WAKE UP). Diese ist vielleicht die „spirituellste“ der drei Dimensionen, weil es hier um die Entdeckung von Bewusstseinszuständen oder Bewusstseinsqualitäten geht, die im starken Kontrast zur Gewohnheitswirklichkeit unseres bekannten Tageswachbewussteins stehen. Letzteres spiegelt uns vor, eine von Anderen und der Welt getrennte Person zu sein, die mit einem eigenständigen Ich-Kern ihr Leben mehr oder weniger durch persönlichen Willen kontrollieren kann. Doch in mystischem Erleben können sich für Menschen spontan oder in der Folge der Beschäftigung mit spirituellen Themen oder Praktiken ganz andere Erfahrensweisen eröffnen.

Ein Aspekt davon besteht in der die Erfahrung des „kausalen Urgrundes“ oder des „unpersönlichen Zeugenbewusstseins“, wie Wilber es nennt. Dies besteht als unberührtes, stilles Gewahrsein, welches allen wechselnden Zuständen von Wachen, Träumen und Schlafen zugrunde liegt. Stilles Gewahrsein ist letztlich kein Zustand, sondern kann eher als „Bewusstseinsraum“ beschrieben werden, in dem alle Bewusstseinszustände, also die Kombination von Bewusstseinsinhalten wie Gedanken, Gefühlen und Empfindungen, auftauchen und wieder verschwinden. Deshalb ist der Begriff „Zustandserwachen“ vielleicht nicht hundertprozentig passend. Als ungefähre Benennung soll er aber ausreichen.

Der kausale Bewusstseinsraum an sich bleibt unberührt von allen Erscheinungen und hat in gewisser Weise absolut nichts mit den Inhalten zu tun, so wie ein Raum unabhängig davon besteht, was in ihn hinein oder heraus getragen wird. Das tiefste „Zustandserwachen“ besteht dann in der weiteren – oder gleichzeitigen – lebendigen Erkenntnis, dass der kausale Urgrund und die Welt der Erscheinungen nicht voneinander getrennt sind. Das nennen Wilber und andere Mystiker „Bewusstsein der Nondualität“ oder kurz „Nondualität“. Man kann es auch als allumfassendes Einssein bezeichnen. In unserer Raummetapher würde dies bedeuten, dass die Erscheinungen im Raum quasi gleichzeitig als Ausstülpungen des Raumes in sich selbst hinein erkannt werden. Der umgebende, reglose Raum und seine sich wandelnden Inhalte sind ein aus einem Guss bestehendes Dasein.

In der Erfahrung von kausalem und nondualem Bewusstsein verschwindet der Glaube an die Realität eines eigenständigen und willkürlich handelnden Ichs. Es wird klar, dass Alles und Nichts letztlich ein unbeschreibliches und unfassbares Sein ist, in der jede Trennung nur als illusorisches Konstrukt erscheint.

An dieser Stelle fällt mir der – vielleicht auch einigen HdS-Lesern bekannte – Song von Konstantin Wecker „Tropfel im Meer“ ein. In diesem – mich immer wieder sehr berührendem – kleinen Lied besingt Wecker nichts anderes als eine tiefe mystische Erfahrung. Er benutzt dazu die Ozean-Metapher: Ein Tropfen fällt ins Meer. Seine Grenzen lösen sich auf. Er erlebt sich als „Alles und Niemand“ und schwelgt im – vorher vergessenen – Einssein mit dem Ozean.

Tiefe WAKE-UP-Erkenntnisse werden zum Beispiel in Aussagen wie „Alles ist Bewusstsein“ oder „Jede Trennung ist Illusion“ verbalisiert. Wobei solche sich scheinbar widersprechenden Aussagen gleichwertig paradox nebeneinander stehen. WAKE-UP-Erkenntnis offenbart das zeitlose, geschlechtslose, alterlose, raumlose, formlose Gewahrsein, das zugleich den Wesenskern jeder formhaften Erscheinung im gewohnten Verständnis von Zeit und Raum ausmacht. Diese oft auch als „Erwachen“ betitelte Erfahrung, ist – wie die Tiefe des Ozeans unter der Welle – jederzeit in voller Gänze zugänglich. Die direkte Erfahrung davon entzieht sich allerdings dem begrifflichen Denken, sondern offenbart sich in direkter mystischer Schau. Das Verstandesdenken kann aber zumindest versuchen, es in Worte zu fassen, auf die Erfahrung verweisen oder manchmal auch zu der direkten Erfahrung einladen.

 

GROW UP – Perspektiven und Mitgefühl erweitern

Doch „Zustandserwachen“ ist nur eine Dimension umfassender psychologisch-spiritueller Freiheit. Ein zweiter besteht in dem „Erwachsenwerden auf der relativen Erscheinungsebene“ (Wilber: GROW UP). Dies bedeutet, dass das Individuum und auch kollektive Strukturen immer größere Weitsicht entwickeln. Ein immer größerer Kreis des Mitgefühls öffnet sich. Es können immer mehr und mehr Perspektiven eingenommen und ein immer umfassenderes Verständnis für die verschiedenen, holarchisch gegliederten Entwicklungsebenen des menschlichen Bewusstseins aufgebracht werden. Diese Bewusstseinsebenen erstrecken sich über ein Spektrum, das man unterschiedlich fein gefächert beschreiben kann. In einer einfachen Auffächerung werden diese folgendermaßen benannt: archaisch, magisch, mythisch, rational, pluralistisch, integral.

Es würde an dieser Stelle den Text sprengen, die einzelnen Entwicklungsebenen genau mit ihren individuellen, kollektiven, inneren und äußeren Aspekten zu beschreiben. Deshalb führe ich sie im Folgenden nur kurz mit jeweils einigen Stichworten auf, die eine erste Ahnung ihrer Eigenschaften eröffnen sollen.

Wer sich intensiver und mit einer noch feineren Auffächerung damit beschäftigen möchte, kann dies hier tun:
ARCHAISCH: symbiotische, physiologische Eingebundenheit in Naturprozesse – triebhaftes Überleben
MAGISCH: animistische Wahrnehmung – Ahnengeister – präkonventionelle Moral – „Recht des Stärkeren“ – eigene Allmachtsfantasien – egozentrische Triebe
MYTHISCH: traditionell-religiöse Überlieferung von Werten – Wortgläubigkeit an „heilige Schriften“ – Gruppenzugehörigkeit – Machtübertragung auf Götter und Autoritäten – konventionelle Moral – Ethos der Gruppe – absolutistisch – Neigung zu Fundamentalismus
RATIONAL: Vernunft getragen – kritisches Hinterfragen traditioneller Werte – Individualisierung – technisch-wissenschaftlicher Fortschritt – persönliche Selbstverwirklichung – aufgeklärte Werte – beginnende Gleichberechtigung – Glaubensfreiheit – Trennung von Staat und Kirche
PLURALISTISCH: einfühlsame, sensitive Weltsicht – Betonung menschlicher Verbundenheit – universelle Bürgerrechte – verwirklichte Gleichberechtigung – sexuelle Selbstbestimmung – große Toleranz – Minderheitenschutz – humanistischer Idealismus – nachhaltige Umweltbeziehung – relativistisch
INTEGRAL: Integration aller vorherigen Ebenen ohne Abspaltung oder kulturellen Relativismus – Holarchie-Bewusstsein (Anerkennung aller vorherigen Ebenen mit deren Hierarchie-Gefüge) – transpersonale Selbstverwirklichung – Flowerfahrung – transrationale Wahrnehmung – Quadranten-Bewusstsein (Perspektivenvielfalt: individuell/kollektiv – innerlich/äußerlich)
Weitere Ebenen folgen im Laufe der Evolution.

Die Ebenen gehen nach- und auseinander, wie sich konzentrisch erweiternde Kreise, hervor. Trotzdem neigen die Ebenen von archaisch bis pluralistisch dazu, ihre eigene charakteristische Sichtweise und Sichtweite jeweils als die einzig wahre zu behaupten und sowohl gegen tiefere, als auch höhere Ebenen zu kämpfen.

Erst ab der integralen Ebene wird Bewusstsein fähig, seine eigene Entwicklung in der Erscheinungswelt „rückwirkend“ reflektierend zu begreifen. Das führt dann zu einer umfassenden Integration gepaart mit holarchischer Einordnung und Wertpriorisierung aller vorherigen Ebenen. Man (an)erkennt den Nutzen, aber auch die Begrenzung und schädlichen Verzerrungen jeder Ebene.

GROW-UP-Erkenntnis entwickelt sich in der Zeit, wie eine kontinuierliche Erweiterung einer Welle an der Oberfläche des Ozeans, die immer mehr Breite und Weitsicht um sich herum entdeckt und zugleich – nach unten hin – immer tiefer das Einssein aller Wellen mit dem Ozean erspürt.

 

CLEAN UP – Schattenbereiche erhellen

Die dritte Grunddimension psychologisch-spiritueller Entwicklung nennt Wilber „CLEAN UP“ und meint damit Schattenarbeit oder Schattenintegration. Das bedeutet: Bisher verleugnete oder blind ausagierte Anteile des Egos werden dabei bewusst wahrgenommen und erlebt. Es wird zum Beispiel möglich, existentielle Angst, Wut und Bedürftigkeit zu fühlen, ohne sie zu verdrängen oder ihren Impulsen in destruktives Ausleben folgen zu müssen. Dadurch transformieren sich die Schattenanteile, verlieren ihren – für sich selbst und andere – leidvollen und Leid erschaffenden Charakter und lassen immer mehr Urvertrauen, Liebe und transzendente Erfüllung durchscheinen. Das Ego-Ich, also die Sammlung der unbewussten und Leid erzeugenden Muster, wird dadurch gelöst und transparent für die Transzendenz des Seins, also für die er- und gelebte Erfahrung nondualen Bewusstsein.

Obwohl das Konstrukt des Egos in der WAKE-UP-Erfahrung als vollkommen illusorisch erfahren wird, bleibt es auf der Erscheinungsebene eine relative, aber sehr wohl bedeutsame und wirkliche (im Sinne von „wirk“ende) Erscheinung. Bei sich fortsetzender GROW-UP- und CLEAN-UP-Erweiterung wird das persönliche Ich immer durchleuchtender für die transzendente Wahrheit von Einssein und Frieden.

Die Gleichzeitigkeit des jähen absoluten WAKE-UP-Erwachens und die sich über Zeit erstreckende relative Entwicklung vom GROW-UP-Erwachsen-Werden begleitet von einer CLEAN-UP-Schattenbewusstheit ist kein Widerspruch, sondern eine paradoxe Wahrheit. Man könnte auch sagen: Bei gelungener Bewusstseinserweiterung und Schattenarbeit werden wir zu einer Welle, die immer klarer die Tiefe und Allverbundenheit des Ozeans widerspiegelt – sowohl im körperlichen, emotionalem, als auch mentalem Erleben und Ausdruck.

 

Erwachen ist nicht genug

Tiefe Erkenntnis in der WAKE-UP-Dimension, also das Erleben kausalen und nondualen Bewusstseins, kann ein Reifen in der GROW-UP- und CLEAN-UP-Dimension erleichtern.

Die De-Identifikation von der Gewohnheitswirklichkeit eines vermeintlich eigenständigen Ichs und das Lösen von bisher gewohnten Wahrnehmungs- und Verdrängungsmustern kann ein neues transformiertes Erleben eröffnen. Wir trennen uns von alten Sichtweisen und aus der Intelligenz der Stille heraus eröffnen sich neue. Mit der Fähigkeit als Zeugenbewusstsein zu ruhen, gewinnen wir auch die Fähigkeit, schmerzhafte Schattengefühle direkt zu erleben, ohne uns in destruktive Abwehrmechanismen zu verstecken oder gehen zu lassen.

Es kann allerdings auch „nach hinten losgehen“. Tiefe WAKE UP-Erkenntnisse, die bloß noch verkonzeptualisiert werden, können zu einer Dissoziation von der Erscheinungswelt führen oder sogar die Abwehrmechanismen der Schattenbereiche verstärken. Anstatt dass ein natürliches GROW-UP und CLEAN-UP geschieht, glaubt sich der oder die „Erwachte“ als vollständig befreit und vernachlässigt oder verleugnet sogar jeden Aspekt von CLEAN-UP und GROW-UP im Namen der „absoluten Ich-Losigkeit“. Oft werden dann blind die eigenen Ego-Muster, bzw. die reaktiven Abwehrmechanismen weiter ausgelebt und womöglich noch mit „nondualen“ Scheinargumenten als besonders erleuchtet verklärt. Oder die eigene begrenzte GROW-UP-Perspektive werden als absolute Wahrheiten hingestellt und andere Sichtweisen als „Illusion“ oder „unerleuchtet“ abgetan.

Nicht selten findet man bei mangelnder GROW-UP-Entwickung eine plumpe Anti-Intellektualität und erstaunlich undifferenzierte oder sogar – im Namen der Nondualität – dualistisch polarisierende relative Sicht- und Ausdrucksweisen.

Nach dem „Wilber-Combs-Raster“ kann man es auch so betrachten: WAKE-UP-Aspekte sind jederzeit zugänglich, egal welche GROW-UP-Entwicklung oder welcher CLEAN-UP-Schatten aktiv ist. Doch die WAKE-UP-Einsichten werden durch die jeweilige GROW-UP-Weitsicht und die CLEAN-UP-Bereinigtheit als ein Filter interpretiert, ausgedrückt und gelebt. Geht man davon aus, dass alle drei Grunddimensionen wichtig sind und jeweils beachtet oder missachtet werden können, kann man vieles in der psychologisch-spirituellen Entwicklung besser verstehen, als wenn man nur um eine oder zwei Dimensionen weiß.

 

Deutschprachige Infos zum Integralen Modell:
Texte von mir, mit integralen Bezügen:
http://www.bodhisat.de/index.php/artikel-connection-xi.html
http://www.bodhisat.de/index.php/artikel-connection-ix.html
http://www.bodhisat.de/index.php/poster-integrales-modell.html
http://www.bodhisat.de/index.php/artikel-connection-iii.html
http://www.bodhisat.de/index.php/artikel-connection-ii.html

Weitere ausführliche Infos und dort weiterführende Links:
http://integralesleben.org/index.php?id=678
https://www.facebook.com/groups/integralesforum/

 

Über Torsten Brügge :

Er hat eine Berufszulassung als Heilpraktiker und Shiatsu-Therapeut. Er verfügt über eine langjährige Berufserfahrung in ambulanter Altenpflege und als Körpertherapeut; studierte Psychologie und war ca. 9 Jahre in der sozialpsychiatrischen Betreuung psychisch schwerkranker Menschen im Rahmen von ambulanten Wiedereingliederungshilfe tätig. Ende der neunziger Jahre ermutigte ihn seine spirituelle Lehrerin Gangaji, seine Erfahrung von Freiheit mit anderen Menschen zu teilen. Seitdem steht er für Satsang, Retreats und Einzelbegegnungen zur Verfügung.
www.satsang-mit-torsten.de
www.bodhisat.de

Dieser Artikel Ken Wilbers integrales Modell – Torsten Brügge ist zuerst auf MYSTICA.TV erschienen.

Der Wasserverkäufer am Fluss – Sugata Wolf Schneider

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Muss Spiritualität etwas kosten, damit sie ernst genommen wird? Mit dem Gleichnis des Wasserverkäufers möchte der Autor Wolf Schneider zeigen, warum es fast unmöglich ist, auf das Echte im Leben hinzuweisen. Durch die symbolische Geschichte wird jedoch sehr klar, dass Wahrheit schwer zu vermitteln ist.

von Sugata Wolf Schneider

 

 

 

Die Wahrheit ist einfach, sehr einfach, aber sie ist nicht billig zu haben. Sie ist ohne Geld zu haben, aber nicht billig. Wenn du sie in den Schoß gelegt bekommst, und es ist nicht der rechte Moment dafür, erkennst du sie nicht und wirfst sie fort. Heute wird sie dir sogar nicht nur in den Schoß gelegt, sondern nachgeworfen, aber in all dem Müll unserer von Informationen überfluteten Welt erkennt sie kaum jemand mehr. Sie zu erkennen braucht ein feines Unterscheidungsvermögen und mehr Einsatz als nur eine Kauflaune.

Die Wahrheit zu erkennen fordert den ganzen Menschen. Sie packt uns und verbaut uns alle Ausreden und Ausflüchte, nun müssen wir echt werden. Sie wäscht uns und macht uns dabei nass. Sie ist das Leben selbst, wie es uns vorfindet, beschenkt und durch Höhen und Tiefen schleudert – und glücklich sein lässt, unendlich glücklich. Es braucht nichts dazu, wirklich nichts. Das Gesuchte lässt sich nicht in Worten sagen und nicht einmal in Tönen, mit Musik. Aber man kann es finden! Wenn wir nur aufhörten an unserer Suche zu kleben und so – ohne die Last der ewig vor uns hingehaltenen Karotten falscher Verheißungen – ganz leicht würden, dann wüssten wir kaum mehr, wohin mit all dem Glück.

Der vorliegende Text befasst sich im Gleichnis des Wasserverkäufers am Fluss mit der Schwierigkeit, Wahrheit zu vermitteln. Es ist nur ein Text. Wenn danach immer noch eine Karotte vor dir schwebt in Form dessen, was du als nächstes tun oder lesen oder zu welchem Satsang du als nächstes gehen solltest, wirf sie weg. Lass nur gelten, was wirklich da ist, jetzt, ohne dass irgendwer irgendwas sagt oder schreibt.

Denn das Dao, über das man sprechen kann, ist nicht das wahre Dao. Diesen ersten Satz aus dem Daodejing (nach der Bibel das meistübersetzte Buch der Welt) werde ich nie vergessen. Dass es dieses Buch in Hunderten unterschiedlicher Übersetzungen gibt, scheint irgendwie zu bestätigen, dass man über das Wesentliche nicht sprechen kann. Der österreichische Philosoph Wittgenstein schrieb dazu 1921 in seinem Tractatus diesen berühmten Satz: »Was sich überhaupt sagen lässt, kann man klar sagen, und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.« Nein, ich werde nicht schweigen, sondern euch die Geschichte vom Wasserverkäufer am Fluss erzählen…

 

Alle haben Durst

Jener Wasserverkäufer sah, dass die Menschen Durst hatten. Wo man auch hinschaut, überall sind Durstige – Tanha, Begehren, nannte der Buddha diesen Durst. Wenn dann einer drauf kommt, dass man zum Fluss gehen kann und trinken und dass das Wasser dort klar ist und gut bekömmlich und den Durst löscht – wunderbar! Egal, ob ihm jemand den Tipp gegeben hatte, oder er es von allein herausfand: Das Wasser war köstlich, es löschte seinen Durst, und offensichtlich konnte auch jeder andere dort hingehen und davon trinken, so viel er wollte; kein Zaun hinderte daran und kein Schild »Privatgrund, Trinken verboten!«.

Nun sah dieser Mensch aber, dass kaum einer seiner Mitmenschen, die doch so durstig waren, dort hingingen und tranken. Wussten sie denn gar nicht von diesem Fluss und der Qualität seines Wassers? Und wenn doch, warum gingen sie dann nicht hin? Wussten sie vielleicht nicht, wie man dort hingelangt? Oder fürchteten sie, dass das Wasser vergiftet sein könnte? Vielleicht kamen sie einfach nicht darauf, dass ihr Durst löschbar war, weil sie mit so viel anderem, Alltäglichen beschäftigt waren. Vielleicht dachten sie, das sei eben so; die menschliche Existenz, la condition humaine, sei so, dass man durstig sei und Sehnsucht nach Wasser habe, und dass das eine im Diesseits, in dieser Welt nicht erfüllbare Sehnsucht wäre. Er aber wusste, wie gut es sich anfühlte, von diesem Wasser zu trinken. Es löschte den Durst, und es war genug da für alle. Und es schmerzte ihn, dass kaum jemand davon trank.

 

Die frohe Botschaft

Deshalb sprach er nun immer öfter davon, mit einfachen, klaren Worten. Er lobte das Wasser, er beschrieb, wie es seine Kehle hinunterrann und wie gut man sich danach fühlte, wenn man davon getrunken hatte. Die Menschen hörten ihm fasziniert zu. So schön hatten sie nur selten jemand vom Wasser sprechen hören. Besonders dann, wenn er immer wieder sagte, dass jeder selbst zum Wasser gehen könne, zum Trinken, dass sie ihn dazu gar nicht bräuchten und es nichts koste, lobten sie ihn und seine Bescheidenheit. So ein großer Redner! Und er predigte so ganz ohne Arroganz, das gefiel ihnen. Er sprach zu ihnen auf Augenhöhe, hatte nichts zu verkaufen und fühlte sich dabei auch nicht als etwas Besseres, deshalb versammelten sie sich um ihn in immer größeren Mengen, lauschten seiner Rede und empfahlen ihn weiter. Immer mehr kamen, und sie fragten nach den Terminen, wann er denn wieder sprechen würde, damit sie ihre Freunde und die anderen Durstigen mitbringen könnten.

Aber keiner von ihnen ging zum Fluss, um zu trinken.

 

Die Partitionierung

Dieser großartige Redner, wir könnten ihn Adam nennen, besorgte sich daraufhin Flaschen, die er mit diesem köstlichen Wasser befüllen konnte. Ein paar hundert davon, das müsste reichen. Jede konnte einen Liter Wasser fassen. Und er besorgte sich Etiketten, auf denen stand »köstliches Wasser«. Das müsste genügen, um die Menschen zu überzeugen, dachte er. Hundert dieser Flaschen stellte er bei seiner nächsten Rede auf, aber trotz seiner großen Beredtheit griffen nur vier der Zuhörer zu den Flaschen. Sie nahmen sie mit nach Hause und tranken in kleinen Schlucken davon, so kostbar war dieses Wasser für sie; es sollte ja noch lange reichen, wer weiß, wann sie wieder welches bekämen. Vier von hundert? Adam war enttäuscht.

 

Der Verkauf gelingt

Als nächstes probierte er es mit einem noch ausgefeilteren Trick. Wieder besorgte er sich Etiketten, auf denen aber stand diesmal »Wasser zum Sonderpreis von 1 €! Nur heute, und nur für die Kunden des besten Wasserverkäufers der Welt!« Kaum hatte er den Tisch aufgebaut und die Hörer seiner Rede sich versammelt, standen sie Schlange vor seinem Tisch und wollten das Wasser kaufen. Noch ehe er mit seiner Rede geendet hatte, waren alle Flaschen verkauft. Das setzte sich so bei den weiteren Veranstaltungen fort, so dass er nun kaum mehr dazu kam, seine Rede zu halten, denn nun brauchte er eine Kasse und Wechselgeld, und die Leute wollten wissen, wann der Stand wieder offen sei, wann es Nachschub gäbe, und ob sie bei Abnahme von fünf oder zehn Flaschen einen Rabatt bekämen. Das Geschäft war eröffnet, und es lief gut. Immerhin tranken die Leute nun Wasser, doch Adam war enttäuscht. Wegen des Geschäftes hatte er nun nicht mehr so viel Zeit, das Wasser zu loben, kaum dass er selbst zum Trinken kam, und tief in seinem Herzen fühlte er sich mit seiner Idee verraten.

Die wenige Zeit, die ihm noch neben dem Wassergeschäft blieb, saß er zuhause mit Lilith und träumte von einer Welt, in der jeder von allein zum Fluss gehen und Wasser trinken würde. Von einer Welt, in der nicht nur dieses ganze Wassergeschäft überflüssig wäre, sondern sogar alle Lobesreden über das Wasser, weil einfach jeder Durstige das Rauschen des Flusses hörte und dann von selbst hinginge, um auszuprobieren, ob es trinkbar ist.

 

Das spirituelle Geschäft

Wer auch immer sich mit Tiefenspiritualität befasst hat – manche nennen es »Mystik« –, weiß, wovon ich hier spreche. Ich bin ja nicht der Wasserverkäufer, und ihr seid die Durstigen, so einfach ist es nicht. Wir alle sind durstig, und wir alle können zum Fluss gehen und Wasser trinken. Und diejenigen unter uns, die sich ein bisschen eingehender mit dem Durst und dem Wasser beschäftigen, kommen früher oder später darauf, dass es nicht so leicht ist, vom Wasser zu sprechen und von seiner Trinkbarkeit, geschweige denn andere dazu zu bringen, selbst davon zu trinken. Dann entsteht das spirituelle Geschäft. Wer etwas gegen Geschäftemacherei mit dem für alle zugänglichen Wasser hat, schweigt daraufhin – und leidet, weil nur so wenige zum Trinken an den Fluss gehen. Die anderen mühen sich damit ab, die Flaschen zu befüllen und zeitgemäße, attraktive Etiketten zu entwerfen, damit das Wasser auch gekauft wird. Manche von ihnen vergessen bei dieser doch recht anspruchsvollen Geschäftstätigkeit selber das Trinken – und sogar das Wesentliche: dass nach wie vor jeder allein zum Fluss gehen kann und dort seinen Durst stillen.

 

Alles ist erlaubt

Jesus hat in Gleichnissen gesprochen. Das Daodejing spricht in vielfältig schillernden Begriffen. Manche schweigen: Meher Baba, die Vipassana-Lehrer, viele Zenmeister. Ach, Wittgenstein, du hattest wohl doch recht. Aber darf man dann nicht wenigstens gegen diejenigen wettern, die falsche Botschaften verbreiten, die nur Ersatz anbieten statt des Echten? Die uns damit zustopfen und glauben machen, wir hätten und wüssten es schon? Ja, man darf wettern, ebenso wie Verkäufer der Ersatzmittel diese anbieten und verkaufen dürfen. Schaut euch die Wirtschaftsstatistiken an: Ich glaube sogar, dass die Flaschen sich noch besser verkaufen, wenn sie nicht »köstliches Wasser« enthalten, sondern Zuckerwasser, mit Etiketten wie Coca-Cola, immerhin lautet der Slogan von Coca Cola: »It’s the real thing«.

Geld zu verdienen ist völlig okay. Auch, etwas anzubieten und dafür zu werben ist völlig in Ordnung. Wenn wir bei all der Anbieterei jedoch vergessen, dass wir Luft atmen können und das auch dürfen, ohne Genehmigung und ohne Gebrauchsanleitung; dass Wasser trinkbar und zumindest in Bergbächen noch sauber ist und dort auch nichts kostet; wenn wir vergessen, dass wir Sonnenuntergänge am Meer – noch – ohne Eintritt zu bezahlen ansehen dürfen, und dass wir lieben dürfen – und das vielleicht sogar auch können – ohne Schulabschluss, dann ist etwas faul an unserer Religiosität, Spiritualität und Lebensphilosophie – meine ich als Prediger des Selbstverständlichen und durchaus ermüdlicher Wasserverkäufer am Lebensfluss.

 

Der Finger und der Mond

»Lesen ist leben« ist der Slogan des Herder-Verlages, der seit vielen Jahren unzählige spirituelle Bücher herausgibt und die geistige Heimat von Anselm Grün ist und von vielen weiteren großen Autoren. Jedes Jahr wieder komme ich auf der Frankfurter Buchmesse am Eingang zur Halle 3.1. am Herder-Stand vorbei und wundere mich. Wie kann das der Slogan eines spirituellen Verlages sein? Starre nicht den Finger an, der auf den Mond zeigt, heißt es im Zen. Nicht für die Schule lernen wir, sondern fürs Leben, ist ein Grundsatz der Bildung. Wenn schon das Lesen über das Leben für Lebendigkeit gehalten wird, dann sind wir doch noch in Platons Reich der Schatten an der Höhlenwand. Nein, das Lesen ist nur eine kleine, sehr besondere Variante des Lebens, eine Variante, die zu Wissen führen kann – wenn denn die Texte gut sind und wahrhaftig. Das Lesen, Schreiben oder Nachdenken über das Leben sollte aber nicht mit dem Leben verwechselt werden, der Finger nicht mit dem Mond. Und eine schöne Rede über das Wasser im Fluss sollte nicht mit dem Genuss des Wassers selbst verwechselt werden. Nur das Trinken löscht den Durst, nicht das Zuhören, Lesen oder Nachdenken. Deshalb vergiss’ diesen Text, geh’ trinken!

 

 

Über Sugata Wolf Schneider:

Der Autor, Redakteur und Kabarettist wurde 1952 geboren und absolvierte 1971-75 ein Studium der Naturwissenschaften und Philosophie in München. 1975-77 verbrachte er in Asien (Buddhismus, Osho). Von 1985-2015 war er als Herausgeber der Zeitschrift connection aktiv. Seit 2007 sind seine Schwerpunkte das Theaterspiel & Kabarett. Trotz geheuchelter ethischer Bedenken und Gewissensbisse ist Sugata nun auch unter die Wasserverkäufer gegangen und warb, schmunzelnd wie immer, auf dem Erleuchtungskongress am 8. bis 10. September 2017 in Berlin  als Co-Repräsentant der Konferenz weiterhin für das Trinken am Fluss.

Kontakt: schneider@connection.de

 

Dieser Artikel Der Wasserverkäufer am Fluss – Sugata Wolf Schneider ist zuerst auf MYSTICA.TV erschienen.


„Begegne dem Tod und gewinne das Leben“ von Christine N. Brekenfeld (Rezension)

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Christine Brekenfeld verbindet mit diesem Buch und in ihrem persönlichen Erleben zwei Themen, von denen man denken könnte, sie hätten gar nicht viel miteinander zu tun: Nahtoderfahrung und Spirituelles Erwachen.

In der Tat erleben viele Menschen, die eine Nahtoderfahrung (NTE) erlebt haben – in Deutschland sollen das allein 4% aller Menschen sein – Momente tiefen Friedens, tiefen Einsseins mit allem, was ist. Diese Erfahrung ist lebensverändernd, aber gar nicht so einfach in normale Leben zu integrieren, weil sich damit auch oft innere Werte verändert haben. Und oft sind damit verbundene Erfahrungen wie die eines Schocks noch gar nicht integriert und können erst Jahre später durch Traumaarbeit oder Ähnliches verarbeitet werden.

Dieses Buch bietet nun erstmals eine großartige Hilfe für Menschen an, die nach einer NTE nach wie vor noch nicht wieder ins normale Leben zurückgefunden haben – aber auch für spirituell Suchende ganz allgemein. Brekenfeld lernte lange Jahre bei dem spirituellen Lehrer und Psychotherapeuten Christian Meyer, der ihr anfangs half, die Erlebnisse zu deuten und zu harmonisieren. Aus dieser Zusammenarbeit sind gemeinsame Forschungen und Seminare entstanden.

Der springende Punkt: Um alles zu verarbeiten und in die Tiefe zu führen, ist die Arbeit mit Gefühlen und dem Körper sehr wichtig, denn im Körper sind oft Traumata gespeichert, die freigesetzt werden möchten. Der Unterschied beider Erfahrungen ist: Die NTE bietet eine plötzliche Einheitserfahrung, auf die der Mensch oft gar nicht vorbereitet ist, während spirituelles Erwachen oft die Frucht einer längeren inneren Entwicklung ist. Diese Lücke will das Buch beleuchten und schließen.

Der Leser bekommt eine ganze Reihe hilfreicher Meditationen und Übungen an die Hand, um sich selbst mehr mit der inneren Quelle zu verbinden – inspiriert durch Traumatherapie und die Lehren alter Mystiker. So oder so ist das Buch ein spannendes, praktisch anwendbares Buch für den spirituell Suchenden, mit und ohne NTE-Erfahrung.

Eine Rezension von Thomas Schmelzer

 

Hier sehen Sie einen Talk mit Christine Brekenfeld und Christian Meyer zum Thema.

 

Infos zum Buch:

Christine N. Brekenfeld : „Begegne dem Tod und gewinne das Leben“
Verlag: Arkana Verlag, 2017
Umfang: 240 Seiten
Preis: 20,00€
ISBN: 978-3-442-34223-5

Hier können Sie es versandkostenfrei bestellen

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„Die Regulus-Botschaften“ von Bettina Büx (Rezension)

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Es gibt in der „gechannelten“ Literatur viel Mittelmäßiges. Nur wenige Werke strahlen um so mehr aus der Masse heraus, die sprachlich, sachlich und lebensnah einzigartige Texte beinhalten. Ich denke da an Seth, Kryon oder Archetypen der Seele.

In diese edle Reihe möchte ich Regulus stellen. Selten war ich von der ersten bis zur letzten Zeile so berührt und beeindruckt, hier einfach nur Wahrheiten über unser Menschsein in einer wunderschönen Sprache zu erleben. Die Ausrichtung erinnert ein wenig an „Ein Kurs in Wundern“ – nur dass man es hier mit einer modernen, manchmal humorvollen Sprache zu tun hat und – ja, auch das kann ein Pluspunkt sein – keine einzige Übung machen muss. Vielmehr werden Erkenntnisse allein durchs Lesen initiiert, die einfach nur wunderbar in die Tiefe führen.

Diesem Buch werden sogar noch vier weitere folgen, also eine wahrlich beindruckende Textsammlung, die sich aber nie wiederholt und voller tiefer Erkenntnisse und auch origineller Wortschöpfungen ist.

Gott will sich durch uns erfahren. Der sogenannte Sündenfall ist göttlicher Schöpfungsplan. „Ego ist heiliges Werkzeug Gottes, erschaffen zur zeitweiligen Verhüllung Deiner ewigen Wirklichkeit“. Ausgehend von dieser Perspektive geht es aber auch um ganz „irdische“ Themen wie Beziehung, Ängste oder Wünsche. Noch eine Kostprobe? – „Intellektuell erhebst Du Dich über die Dualität, wenn Du nicht wertest. Emotional erhebst Du Dich über die Dualität, wenn Du liebst“…

Eine Rezension von Thomas Schmelzer

 

Lesetipp: In unserem neuen Magazin DeinSechsterSinn finden Sie einen exklusiven Buchauszug.

 

Infos zum Buch:

Bettina Büx: „Die Regulus-Botschaften“
Verlag: Echnaton Verlag, 2017
Umfang: 296 Seiten
Preis: 17,95 €
ISBN: 978-3-937883-91-5

Hier können Sie es versandkostenfrei bestellen

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Neue Politik: Aufbruch ins Lebendige? – Dr. Thomas Steininger

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Thomas_Steininger_Aufbruch ins Lebedinge_MYSTICA_TV

© en.joy.it / photocase.de

Gesellschaftliche Veränderung, progressive Spiritualität und Menschen mit Herz – das sind die Stichworte zu diesem Artikel von Dr. Thomas Steininger. Unsere Welt ist geprägt von den komplexen Systemen der Weltwirtschaft und unserer politischen Institutionen. Der Radio-Moderator und freie Journalist reflektiert über die letzten 30 Jahren unseres gemeinsamen Lebens auf diesem Planeten und über die Wertschätzung von Lebendigkeit als einen politischen Akt.

von Dr. Thomas Steininger, zuerst erschienen in evolve

 

1978 war ich an meiner ersten großen politischen Aktion beteiligt. Damals sollte in Österreich das erste Atomkraftwerk ans Netz gehen. Doch es gab im Land überraschenden Widerspruch. Für Menschen aus den fortschrittlichen wie auch aus den konservativen Teilen der Gesellschaft war die Atomkraft zu einem Symbol für eine Industrie geworden, die in eine grundlegend problematische Richtung ging. Sie stand für eine Entwicklung, die in Kauf nahm, für scheinbar billigen Strom unvorhersehbare gesundheitliche Risiken für viele Generationen in Kauf zu nehmen. War das noch eine Industrie, die für uns Menschen da war? Eine ganze Generation entdeckte die Ökologie. Denkprozesse, die damals anfingen, stellen sich vielleicht heute mit einer Dringlichkeit dar, die wir damals noch nicht ahnten. Können wir Entscheidungen verantworten, deren Folgen unsere Enkel tragen? Damals in Österreich gelang es den Gegnern der Atomkraft, eine Volksabstimmung über das bereits gebaute AKW Zwentendorf durchzusetzen. Viele, auch wir jungen Menschen, waren über Monate auf der Straße und diskutierten über die Risiken und darüber, welche Industrie und welche Gesellschaft wir wollten. Was niemand erwartet hatte, geschah: Am 5. November 1978 stimmten die Menschen in Österreich mit knapper Mehrheit gegen die Atomtechnologie. Das AKW Zwentendorf wurde noch vor seiner Inbetriebnahme zu einem Museum einer veralteten Technologie. Viele von uns empfanden diese Volksabstimmung als eine Zeitenwende. Wir träumten von Wind- und Sonnenenergie und von einer neuen, ökologischen Gesellschaft. Doch der Zeitgeist wehte vorerst in eine andere Richtung als unsere jungen Träume.

 

30 Jahre Umbruch

In den letzten dreißig Jahren standen wir immer wieder vor überraschenden globalen Veränderungen, die uns jeweils neu über unsere Gesellschaft nachdenken ließen. All diese Umbrüche haben unser Verständnis von Geschichte und Gesellschaft nachhaltig geprägt. Das neue Wort, das die 80er Jahre beflügelte, hieß Neoliberalismus. Es stand damals für die Politik von Ronald Reagan und Magaret Thatcher. Ihre Politik war der Anfang einer neuen, radikal markt- und wirtschaftsorientierten Politik. Der nächste Einschnitt in die gesellschaftliche Entwicklung war das Jahr 1989, der Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks in Europa. Es war eine Zeit des Zusammenbruchs der Ideologien. Einer der wirklichen Helden des historischen Umbruchs in Europa war Václav Havel. Der tschechische Dichter und Dissident wurde über Nacht zum Präsidenten der jungen tschechischen Demokratie. Der tiefe, aber auch skeptische Humanismus dieses Dichterpräsidenten versprach eine neue menschliche Dimension in der Politik: „Die Tragik des modernen Menschen ist nicht, dass er immer weniger über den Sinn des eigenen Lebens weiß, sondern dass ihn das immer weniger stört.“ Hier sprach jemand, dem die existenzielle Dimension unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens nicht fremd war. Václav Havel war wie ein Versprechen für eine neue Politik, in der die Menschen in ihrer Verletzlichkeit, in ihrer Freiheit und ihrer Eigenverantwortlichkeit im Mittelpunkt standen.

Aber der Frühling in der Politik dauerte nicht lange. 2001 kam der große Schock. Im Terroranschlag auf die Twin Towers in New York und im Krieg gegen den Terror zerbrach die naive Hoffnung, das 21. Jahrhundert würde vielleicht frei von ideologischen Kriegen sein. Die Welt erlebte einen neuen globalen Konflikt. Die westliche Welt war mit einer radikalen, ja brutalen Ablehnung ihrer liberalen Werte aber auch gegenüber ihrer neoliberalen Politik konfrontiert. Die weltweite Renaissance der Religion bekam auf einmal die Form eines rückwärtsgewandten und manchmal auch erschreckenden Fundamentalismus.

2008 kam der nächste Schock: die Finanz- und Wirtschaftskrise. Sie riss die Welt in wenigen Wochen fast in den Abgrund. In Europa schwelt die globale Finanzkrise seither weiter vor sich hin und wird zum Nährboden rechtspopulistischer Bewegungen. Aber auch weltweit ist die Schuldenkrise nur vorerst mit zusätzlicher Verschuldung aufgefangen worden.

Die globalisierte Welt erzeugt eine Komplexität, wie wir sie in unserer Geschichte noch nie gesehen haben. Sie ist geprägt von einem historischen Klimawandel, von neuen Kriegen, dramatischen Flüchtlingsströmen – einer Dauerkrise, die alle Akteure zu überfordern scheint. Gleichzeitig leben wir in einer Welt, in der die neuen Technologien eine Wissens- und Datenökonomie erschaffen, die uns als globale Menschheit fast neu erfindet. Wohin führt dieser Umbruch, den viele als Zeitenwende erleben? Die Ära des Neoliberalismus scheint zu Ende zu gehen. Das Vertrauen in die Vernunft der globalen Börsen, das sie die letzten 30 Jahre bestimmt hat, ist seit 2008 dramatisch eingebrochen. Aber auch eine 300 Jahre alte Ära der uneingeschränkten westlichen Dominanz in der Welt scheint zu Ende zu gehen. Neue Aufsteiger wie China, Indien, Brasilien aber auch Regionalmächte wie Südafrika und der Iran sind Vorboten einer Zukunft, in der verschiedene Kulturen um Mitbestimmung konkurrieren werden, um zu beeinflussen, wie unsere gemeinsame Zukunft aussehen wird.

Teil dieses Umbruchs ist eine Renaissance der Religion. Wir erleben sie nicht nur in fanatisch-fundamentalistischen Formen des Islam. Die Tea-Party-Bewegung in den USA und Putins neu-orthodoxes Russland sind Teil einer weltweiten fundamentalistischen Welle. Aber die Renaissance der Religion, oder besser gesagt, die Renaissance der Spiritualität hat auch ein zweites Gesicht. Viele Menschen, gerade in den USA und Europa, suchen nach einem neuen Einklang zwischen den Werten westlicher Aufklärung und einem neuen Verständnis von Religion und Spiritualität, eine Synthese einer aufgeklärten Vernunft und einer offenen Spiritualität. Es gibt auch die Renaissance einer progressiven Spiritualität und unser Magazin versteht sich als Teil dieser Entwicklung.

 

Progressive Spiritualität

Jürgen Habermas, der wahrscheinlich bedeutendste Sozialphilosoph unserer Zeit, bezeichnet sich selbst als „religiös unmusikalisch“, aber sein Verständnis der grundlegenden gesellschaftlichen Herausforderungen, vor denen wir gemeinsam stehen, zeigt vielleicht auch, welchen Beitrag eine moderne, offene Spiritualität leisten kann. Jürgen Habermas beschreibt in seinem Werk den zentralen gesellschaftlichen Konflikt des 20. und 21. Jahrhunderts als einen Konflikt zwischen zwei Bereichen der Gesellschaft, die er „Lebenswelt“ und „Systemwelt“ nennt. Traditionelle Gesellschaften kannten diesen Konflikt nicht, aber ihre Lebenswelten waren noch nicht von dem getrennt, was wir heute als „das gesellschaftliche System“ verstehen. Wirtschaft und Politik waren in den traditionellen Gesellschaften Ausdruck einer gemeinsam gelebten kulturellen Sphäre. In frühen Stammesgesellschaften waren Arbeit und Gemeinschaftsleben noch eins mit der gelebten Spiritualität der Stammesgesellschaften. In späteren Priesterkulturen prägten Priesterherrscher die gesellschaftlichen Normen. Die damalige Arbeits- und Lebenswelt war tief durchdrungen von der spirituellen Welt der großen Religionen. Das Zinsverbot vieler Religionen war ein Ausdruck dieser Einheit.

Die Trennung zwischen System- und Lebenswelt kam, so Habermas, mit der europäischen Reformation und der Industrialisierung. In der Zeit der Reformation entkoppelten sich Geld- und Machtstrukturen von den traditionellen Lebenswelten. Wirtschaft und Politik wurden zu einem unabhängigen System mit eigener Logik und Dynamik. Habermas beschreibt, dass in der modernen Welt die Systemwelt in immer größerem Maße danach trachtet, die Lebenswelten zu kolonisieren. Sie transformiert menschliche Beziehungen zu Warenbeziehungen oder abstrakt-bürokratischen Machtbeziehungen. Es geht darum, so Habermas, diesen Prozess der Kolonisierung umzukehren. Sein politisches Projekt besteht darin, den Lebenswelten durch „verständnisorientiertes Handeln“ wieder ein Übergewicht gegenüber der Eigenlogik von Markt und Bürokratie zu geben. Die Überwindung der weltweiten ökologischen Krise, aber auch die Zähmung der Marktlogik durch die Werte menschlicher Beziehungen, braucht eine starke verständnisorientierte Lebenswelt.

Auch eine globalisierte Welt, die nicht nur eine Globalisierung der Märkte ist, sondern eine Globalisierung unserer Beziehungen, braucht ein tiefes Verständnis lebendiger zwischenmenschlicher Beziehungen und einer lebendigen Beziehung zu dieser Erde. Progressive Spiritualität kann uns dabei helfen, auf einer radikalen und existenziellen Weise zu verstehen, was der Unterschied zwischen Lebenswelt und Systemwelt eigentlich ist. In einem Wald nicht nur „Nutzholz“ zu sehen, sondern lebendige Bäume wahrzunehmen, ist ein spiritueller Akt. Unsere menschlichen Beziehungen nicht weiter zu käuflichen Warenbeziehungen verkommen zu lassen, ist ein spiritueller Akt. Zu sehen, wie die Systemwelt weite Bereiche unserer Seele kolonisiert hat, ist ein spiritueller Akt. Wir brauchen unsere menschliche Intuition und unser Herz, um den Wert des Lebens wieder zu sehen.

Sind wir in der Lage, die Natur und vielleicht sogar den Kosmos als lebendig und beziehungsfähig zu erfahren – was uns in tiefer spiritueller Einsicht zugänglich werden kann?  Albert Einstein war nicht nur ein genialer Physiker, sondern auch ein moderner, mystischer Mensch. Er meinte einmal, wenn er Gott eine Frage stellen könnte, dann wäre es die Frage: „Ist das Universum freundlich oder nicht?“ In dieser Frage steckt natürlich auch noch eine Frage: Ist das Universum beziehungsfähig, ist es lebendig? Die materialistische Wissenschaft beschreibt den Kosmos im Grunde als eine große kalte Leere mit ein paar verstreuten Materiebrocken. Spirituelle Intuition sieht das anders. Es gibt gute Argumente, auch aus einer aufgeklärten und modernen Perspektive unser Universum als ein ungeteiltes, beziehungsfähiges und lebendiges Ganzes zu sehen. Diese Einsicht würde dem Wort Lebenswelt eine andere Tiefe geben. Diese radikale Wahrnehmung unserer universellen Lebenswelt ist vielleicht einer der wichtigsten Beiträge der Spiritualität zu den Fragen unserer Zeit.

 

Lebenswelt

Der philippinische Soziologe und Träger des Alternativen Friedensnobelpreises Nikanor Perlas hat Habermas’ Gedanken zu System- und Lebenswelt auch im Rahmen eines globalen politischen Aktivismus weitergedacht. Nikanor Perlas, der eine spirituell erweiterte Sicht der Lebenswelt vertritt, sieht neben Global Business und den internationalen politischen Strukturen in der globalen Zivilgesellschaft eine entstehende dritte, Lebenswelt-orientierte globale Kraft. Die globale Zivilgesellschaft verbreitet und verbindet sich auch durch die Entstehung des Internets in den letzten Jahrzehnten über den ganzen Globus. In ihr spielen soziale, tiefenökologische aber auch direkt spirituelle Werte eine immer bedeutendere Rolle. Die weltweiten Netzwerke der entstehenden Zivilgesellschaft sind vielleicht der Anfang eines globalen Verständigungsprozesses, der weit über die Grenzen der verschiedenen Nationen und Kulturen hinausgeht. In Nikanor Perlas‘ Vision ist das Netzwerk eine verständigungsorientierte globale Lebenswelt, die mit Global Business und den weltweiten politischen Strukturen in eine konstruktive Auseinandersetzung gehen kann.

Einer der auch spirituell motivierten Vordenker einer lokalen und globalen Lebenswelt ist Charles Eisenstein. In seinen Büchern beschreibt er unsere Zeit als einen epochalen globalen Umbruch. Er sieht ihn als den Übergang von einer Kultur der Trennung zu einer Kultur der Wiedervereinigung mit der Lebendigkeit des Lebens, der Lebendigkeit des Kosmos und der Lebendigkeit unseres Planeten Erde. Das große Echo, das Autoren wie Charles Eisenstein bis tief hinein in die Occupy-Bewegung der letzten Jahre gefunden haben, zeigt zumindest, dass es eine neue Sensibilität und ein neues Interesse für ein spirituelles Verständnis unserer Lebenswelt gibt.

Seit der Finanzkrise 2008 hat sich auch im Mainstream der Medien der Diskurs stark verändert. Das Wort Nachhaltigkeit hat eine neue Bedeutung gefunden. In den Wirtschaftswissenschaften gibt es eine neue Generation von Postmaterialisten. In Deutschland und der Schweiz ist es seit einigen Jahren gelungen, eine breite Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen zu führen. Enno Schmidt, Mitinitiator der Schweizer Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen, betont in seiner Arbeit, dass allein der Gedanke des bedingungslosen Grundeinkommens unser herkömmliches Menschenbild und unsere Vorstellungen über unsere menschlichen Beziehungen infrage stellt. Er sieht in der öffentlichen Debatte schon einen großen Erfolg.

Ethische Banken wie die GLS Bank, die Ethik Bank oder die Triodos Bank in Deutschland zeigen, dass es auch Ansätze gibt, ganz real mit Geld und Kapital in einer Weise umzugehen, die nicht nur der Logik der Systemwelt, sondern auch den Werten unserer Lebenswelten Rechnung trägt. Die aus Österreich kommende Initiative für Gemeinwohlökonomie macht ganz direkt den Versuch, die Wirtschaftlogik wieder über politische und demokratische Prozesse an die Werte einer verständnisorientierten Lebenswelt anzuschließen. Radikale Ansätze wie Charles Eisensteins Ideen einer „Schenkökonomie“ gehen dem Gedanken nach, dass die einfache Einsicht, dass uns das Leben selbst – und viele der wesentlichen Qualitäten unseres Lebens wie Liebe, Respekt, Freundschaft – nur geschenkt werden können, wenn sich unser Verständnis von Wirtschaft und Gesellschaft verändert. Auch unsere globalen Probleme brauchen eine neue Kultur einer globalen Lebenswelt. Dazu leisten die verschiedenen Formen traditioneller und progressiver Spiritualität wichtige Beiträge.

Als wir 1978 gegen die Atomkraft in Österreich abstimmten, hatten wir die Hoffnung, dass erneuerbare und lebensbejahende Energie bald Mainstream wird. Auf eine gewisse Weise ist sie das heute, nach über 35 Jahren, auch geworden. Die Herausforderungen unserer Welt sind aber nicht kleiner geworden. Um der Lebenswelt in dieser Welt eine neue Bedeutung zu geben, müssen wir auch sehen, wo diese Lebenswelt immer wieder neu geboren wird – in unseren Beziehungen. Im lebendigen Dialog entdecken wir immer wieder auf‘s Neue unsere gemeinsame Welt. Vielleicht ist es auch die Aufgabe der progressiven Spiritualität, eine neue Dialogkultur anzustoßen, in der die Lebendigkeit unserer Beziehungen und die Lebendigkeit der Welt erfahrbar und lebbar werden. Diese bewusste Dialogkultur wird ein wichtiger Beitrag sein.

Der Text ist zuerst erschienen in evolve – Magazin für Bewusstsein und Kultur
www.evolve-magazin.de
www.facebook.com/evolve.magazin

 

Über Dr. Thomas Steininger:

Er ist Herausgeber des Magazins evolve und studierte Philosophie an der Universität Wien mit einem besonderen Schwerpunkt auf Bewusstseinsthemen und soziale Evolution. Er arbeitete für das österreichische Radio (Ö1) und als freier Journalist. Thomas lehrte beim Masters-Programm für „Conscious Evolution“ am Graduate Institute in Connecticut/USA in Zusammenarbeit mit Don Beck, Susanne Cook-Greuter, Allan Combs u. a. Heute leitet er emerge e.V. Deutschland und moderiert das Webradio Radio evolve. Er hält international Vorträge und gibt Seminare über Dialog und evolutionäre Spiritualität.

Dieser Artikel Neue Politik: Aufbruch ins Lebendige? – Dr. Thomas Steininger ist zuerst auf MYSTICA.TV erschienen.

Mystik als Religionskritik – Roland Rottenfußer

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© momosu / photocase.de

Würden Sie sich eher als mystischen oder religiösen Menschen bezeichnen? Glauben Sie Unterschiede und Abgrenzungen dieser beiden Richtungen genau zu kennen? Im folgenden Artikel wird deutlich, dass bei genauerem Hinsehen natürlich Parallelen zwischen Mystik und Religiösität bestehen – vor allem aber auch viele Gegensätze.

von Roland Rottenfußer

 

 

 

 

 

 

 

Die Fackel wegwerfen, wenn das Feuer entfacht ist

Viele Leser werden es erfreulich finden, wenn ich sage, dass Mystik teilweise in einem krassen Gegensatz zur Glaubensreligion steht. Zur Dogmatik ohnehin. Glauben wird vielfach synonym mit „Religion“ gebraucht, was über Jahrhunderte zu einer m.E. völlig falschen Akzentuierung geführt hat. Denn Glauben kann die Rückverbindung („religio“) zum Urgrund unserer Existenz mitunter eher behindern, indem er in unserem Geist ein System von (Vor-)Urteilen etabliert. Ich kann z.B. glauben, dass Gott durch eine unüberwindliche Kluft von mir getrennt ist, dann behindert dieser Glaube mögliche mystische Impulse. Oder ich kann glauben, dass ich als Mensch zutiefst verderbt bin, unwürdig, dass Gott „eingeht unter mein Dach“. Dies kann dazu führen, dass ich meine Türen und Fenster vor ihm verschließe. „Das Mondlicht füllt den Himmel ganz, von Ost nach West; wie weit es deine Stube füllen kann, hängt von den Fenstern ab“, schrieb der islamische Dichter Rumi. Wer Weltanschauungen vor allem nach ihrer ethischen Praxis bewertet, wird ohnehin sagen: Auf den Glauben kommt es gar nicht so an. Was zählt, ist, ob jemand mitmenschlich handelt. Im Sinne von Lessings „Ringparabel“ in „Nathan der Weise“ sollen die Religionen vor allem durch gute Taten zeigen, welche von ihnen wirklich das Erbe des Vaters verwaltet.

Ich hatte in meinem vorigen Mystik-Artikel von einer „Wolke des Nichtwissens“ gesprochen, die für die meisten undurchdringlich scheint. Was in der Religionsgeschichte nun oft geschehen ist, ist dies: Die Gläubigen wurden von den Institutionen in keiner Weise ermutigt, den „Nebel“ selbst zu durchdringen. Vielmehr sollten sie vor ihm stehen bleiben und sich von den Würdenträgern und Wissensbesitzern erzählen lassen, was „dahinter“ ist. Wenn jemand von eigenem mystischen Erleben abgeschnitten ist, überwindet er die gefühlte Kluft zwischen sich und Gott durch einen Impuls des „Glaubenwollens“. Dieser ist oft gesteuert durch Tradition und religiöse Autorität, durch „Glaubensollen“. Man glaubt, was man meint glauben zu müssen, weil alle in einer Kultur es glauben, weil der Priester, Rabbi oder Imam es sagt, weil die Heilige Schrift es sagt, weil man – falls man nicht glauben kann – mit Sanktionen, zumindest mit gesellschaftlicher Isolation sanktioniert wird. In Saudi-Arabien gibt es den Straftatbestand „Abwendung vom Islam“, bewehrt mit der Todesstrafe. Aber auch im „Abendland“ ist es gerade in traditionellen Gemeinden nicht leicht, sich dem „Glaubensollen“ zu entziehen, was den Nährboden für viel Heuchelei bildet.

Schwierig wird es vor allem, wenn das Dogma sehr stark davon abweicht, was Mystiker selbst erfahren haben. Dogmatiker ersetzen dann die mangelnde Substanz ihrer Lehre gern durch besondere Unduldsamkeit und die Forderung nach Glaubensgehorsam. Je unwahrscheinlicher und absurder ein Glaubensinhalt erscheint, desto mehr gilt gerade das „blinde Vertrauen“ in ihn als Ausweis besonders ehrenwerter Glaubensstärke. Das ist dann so, als wolle ein Blinder einen Sehenden über die Natur der Farben belehren. Oder als wolle jemand, der noch keine sexuelle Erfahrung hatte, demjenigen, der sie hatte, theoretische Lehrsätze über Sexualität aufschwatzen. Daher halte ich es für wichtig, zumindest den Versuch zu unternehmen, einen mystischen Weg zu gehen. Dies wird von den religiösen Institutionen aber oft nicht gefördert, ja sogar negativ bewertet. Es ist, als wollten die Würdenträger und Machthaber sagen: „Du musst gar nichts selbst in die Erdbeere beißen, wie sie schmeckt steht genauestens in der Heiligen Schrift. Wenn der Geschmack, den du selbst wahrnimmst, mit der offiziellen Lehre übereinstimmt, ist es unnötig, selbst hinein zu beißen; wenn der Geschmack dagegen von der offiziellen Lehre abweicht, müssen deine Sinne einer Täuschung unterliege und du bist ein Sünder.“

In Bertolt Brechts Stück „Das Leben des Galileo“ diskutiert der berühmte Naturwissenschaftler mit katholischen Gelehrten über die Frage, ob andere Planeten außer der Erde über Monde verfügen können. Die Gelehrten verneinen dies unter Verweis auf die Bibel. Galilei bittet sie, durch das Fernrohr zu schauen, das glasklar die Existenz von Jupitermonden anzeigt. Die Gelehrten weigern sich jedoch, hindurchzuschauen – mit der auf neuzeitliche Menschen skurril wirkenden Begründung: „Ein Instrument, das etwas anzeigt, was es nicht geben kann, ist wohl nicht sehr zuverlässig.“

In diesem Sinn steht der Mystiker dem Naturwissenschaftler näher als dem Dogmatiker. Er schaut selber nach und nimmt in Kauf, dass das Gesehene sein bisheriges Weltbild durcheinander wirft. Oder – was noch wahrscheinlicher ist – dass er sich auf das Gesehene bzw. Gefühlte überhaupt keinen Reim machen kann. So betrachtet,  ist der Mystiker auch kein Gläubiger. Er ist jemand, der um den Geschmack der Erdbeere weiß, weil er selbst hinein gebissen hat. Unmöglich kann ein Unerfahrener ihm sein Erlebnis streitig machen. Ebenso unmöglich ist es aber auch, den Geschmack diesem Unerfahrenen mit Worten wirklich nahe zu bringen. Selbst die Angaben „süß und saftig“ sagen im Grunde wenig, sie sind nur ein sehr grobes Raster, um dem ganz Spezifischen dieses Geschmacks Ausdruck zu geben. Schließlich wären die Bezeichnungen „süß und saftig“ ebenso auf Pfirsiche oder auf Himbeeren anwendbar.

Viele Mystiker würden vermutlich meiner Aussage, sie seien keine Gläubigen, widersprechen. Der Glaube habe sie erst zu mystischen Erfahrungen geführt, habe sie in dem Vertrauen gestärkt, dass es jenseits der „Wolke des Nichtwissen“ überhaupt etwas – oder jemanden – gebe. Dieses Vertrauen sei überhaupt erst die Voraussetzung dafür gewesen, dass sie sich auf den Weg durch den Nebel gemacht hätten. „Credo utintellegam“ (Ich glaube, damit ich verstehe) ist ein dazu passender Spruch aus der Kirchengeschichte. Der Glaube ist es oft auch, der bei der Deutung des Erlebten assistiert. Freilich liegt hier auch der Haken, denn mit dem Gebrauch von Worten zur Beschreibung des Erlebten wird dieses mit dem kulturellen Hintergrund des Mystikers „aufgeladen“. Da spürt man z.B. nicht mehr nur eine „Präsenz“, eine „intensive Energie“, ein „strömendes Gefühl in den Extremitäten“  – nein es ist der Heilige Geist, sind Engel, ist vielleicht sogar Gott selbst, der einen besucht hat. Es ist also gut, sich selbst zu prüfen, ob man das schon vorher Geglaubte nicht in eine Erfahrung hineininterpretiert. Und ob es man, zweitens, nicht mit der Interpretation des Geschehnisses hinterher auf die Bestätigung von vorher schon vorhandenen Glaubensinhalten abzielt. Insofern kann man zusammenfassen: Ist Glaube die Ursache der Mystik, ist er hilfreich, ist er dagegen die Folge der Mystik, kann dies zu Verfälschungen führen.

Religionen „sagen den Menschen vor allem, was sie sehen sollen, anstatt wie sie sehen sollen.“ (Richard Rohr) Damit erscheint das Erkennbare durch ein traditionelles Correctness-System begrenzt und zugleich vorgeprägt. Es ist unmöglich, bevor sich mystische Erfahrungen einstellen, nicht irgendetwas „geglaubt“, „vermutet“ und „angenommen“ zu haben. Es sollte uns aber bewusst sein, dass diese Annahmen nur begrenzt Rückschlüsse auf die Wahrheit zulassen. Religionen, die ja alle in Richtung des gleichen Lichts schauen, tun dies mit grünen, blauen oder roten Brillengläsern, um dann auszurufen: „Schaut, es ist ein grünes, ein blaues, ein rotes Licht!“ Der islamische Mystiker Junaid sagte: „Wasser nimmt die Farbe des Glases an, in dem es sich befindet.“ Das Bewusstsein eines Menschen, mitgeprägt durch seine Kultur, nimmt das Absolute in der ihm eigenen Färbung wahr.

Bei aller notwendigen Sprachskepsis kann es jedoch hilfreich sein, die Zeugnisse glaubwürdiger und sprachmächtiger Autoren zu lesen, die die Distanz zwischen Erlebtem und Sagbarem wenigstens teilweise zu überwinden wissen. Jörg Zink, der bedeutende evangelische Theologe und erfolgreiche Sachbuchautor, berichtet von einer „Offenbarungs“-Erfahrung beim Anblick weißer Schlehenbüsche. Es geschah völlig unerwartet 1943, während Zink als junger Soldat in der Nähe von Befestigungsanlagen der deutschen Truppen bei Lyon umherstreifte: „Das waren keine Blüten. Das war eine Welt, die offen war nach einer anderen Dimension hin. Da war alles offen! Und mir war schlagartig klar, dass meine kleine Welt, in der ich lebte und Soldat war und flog und Bücher las, wie ein Gefängnis war, dessen Mauern mir die eigentliche Wirklichkeit verstellten. Dass die Welt unendlich weiterging in Räume, die mir sonst verschlossen waren. Dass sich die größere, nenne sie meinetwegen ‚geistige’, Welt mir zuwandte, offen, freundlich, dass sie mich suchte.“ Zunächst interpretiert Zink das Erlebnis, geschildert in seinem Buch „Die goldene Schnur“, nicht im christlichen Sinn. An anderer Stelle schreibt er dann aber: „Für mich waren die weißen Schlehen wie das, was Mose am brennenden Dornbusch erfuhr: die brennende Gegenwart Gottes. Wer so aus sich heraustritt, wird nicht nur seinen Blick weiten, sondern auch seinen Atem. Er wird sich vorstellen, dass die Luft, die er einatmet, mit der Weite des Universums erfüllt ist, nein, mehr, mit der Kraft und Gegenwart Gottes.“

Die Beschreibungen mystischer Erfahrungen durch Autoren christlicher und anderer religiöser Herkunft sind sehr unterschiedlich. Ein gewisser Überblick hilft, um das Thema gleichsam von verschiedenen Seiten einzukreisen. Bleiben wir einen Augenblick bei Jörg Zink, der Mystik von ihrer ursprünglichen Wortbedeutung her aufschlüsselt: „Mystik, das Wort hängt zusammen mit dem Wort ‚myein’, die Augen schließen. Die Mystiker schließen die Augen, um innere Bilder zu sehen, und um danach die äußeren Bilder so zu sehen, dass sie Wirklichkeit mitteilen, wahrnehmbare Wahrheit.“ Die Wortherkunft von „Augen schließen“ ist wichtig, um Mystik vom scheinbar verwandten Wortfeld „Mystery“ oder „mysteriös“ abzugrenzen. Jedenfalls hat sie weder etwas mit Fantasy-Filmen zu tun noch ist sie „Okkultismus“ im Sinne des Dunklen oder der elitären Esoterik. Tatsächlich geht es schlicht um die Öffnung für dem Alltagsbewusstsein unzugängliche Welten durch Introversion (Wendung nach innen). Folge dieser Introversion kann paradoxerweise ein „Aus-sich-Heraustreten“ (eine Ekstase) sein.

Was ist Mystik? Sammeln wir noch ein bisschen, um die „Sehnsucht nach dem Meer“ zu wecken, wenn es schon unmöglich scheint, das Wasser selbst im Gefäß der Worte zu den Lesern zu tragen. „Sich weggeben, sich vergessen, hineinsterben in das unendliche Du“, sagte der katholische Priester und Zen-Praktizierende Johannes Kopp. „In des Welt-Atems wehendem All ertrinken versinken, unbewusst – höchste Lust“ dichtete der Komponist Richard Wagner in „Tristan und Isolde“. „Wenn wir uns die Erste Wirklichkeit als einen unendlichen Ozean vorstellen, dann sind wir so etwas wie die Wellen auf diesem Meer“, schrieb der katholische Prietser und Zen-Meister Willigis Jäger. „Wenn nun die Welle erfährt, ‚Ich bin das Meer’, dann sind da immer noch zwei: Welle und Meer. In der mystischen Erfahrung aber wird auch diese Dualität überstiegen. Das Ich der Welle verfließt, und an seiner statt erfährt das Meer sich als Welle.“

Dies sind freilich Umschreibungen von Gipfelerlebnissen, die den Leser leicht überfordern können. Sie fassen schon das Endziel jeder Mystik in Worte, nicht mehr die für die meisten Suchenden zunächst erreichbaren Schritte auf dem Weg. Willigis Jäger prägte für das Verhältnis zwischen mystischen Schriften und dem Ziel der Mystik ein schönes Bild: „Die Schrift ist wie eine Fackel, die man wegwirft, wenn das Feuer entfacht ist. Sie ist der Ruf des Unendlichen, der uns ständig die Richtung weist, in die wir zu gehen haben, aber sie ist nicht das Unendliche selbst.“ Dies gilt übrigens auch für die Heiligen Schriften der Wortreligionen. Je poetischer und vieldeutiger diese abgefasst sind – der Koran z.B. – desto weiter können sie dem Voranschreitenden auf dem Weg leuchten. Aber sie sind nicht zu verwechseln mit dem „Unendlichen“ selbst.

Schriften von Mystikern lesen sich immer wieder nicht nur als Sprach-, sondern auch als Religionskritik, was sie Skeptikern und Agnostikern näher bringen könnte. Richard Rohr etwa definiert: „Echte Spiritualität ist nicht die Suche nach Vervollkommnung oder Kontrolle oder die Tür zum Jenseits, sie ist eine Suche nach Vereinigung mit dem Göttlichen hier und jetzt.“ Oder an einer andere Stelle in Rohrs ausgezeichneten Buch „Pure Präsenz“: „Man sollte sich vom Wort ‚Mystiker‘ nicht abschrecken lassen. Es bezeichnet einfach jemanden, der den Schritte von bloßen Glaubens- und Zugehörigkeitssystemen zu tatsächlicher innerer Erfahrung vollzogen hat.“ Über den Glauben habe ich mich ja zuvor schon ausführlich geäußert. Rohr definiert institutionelle Religion aber darüber hinaus auch als „Zugehörigkeitssystem“, das meist allzu streng zwischen „uns hier drinnen“ und „denen da draußen“ unterscheidet. Eine künstliche Spaltung, die viel Unheil in der Weltgeschichte hervorgebracht hat – übrigens nicht nur zwischen Religionen, sondern auch zwischen Menschen verschiedener Nationen, Volksgruppen, Geschlechter oder sexueller Orientierungen usw. „Schlechte geistliche Unterweisung redet immer davon, etwas sei ‚nur‘ hier oder ‚nur‘ dort, zum Beispiel ‚nur in meiner Kirche‘. Gute geistliche Unterweisung sagt ‚immer‘ und ‚überall‘“. Ein Satz Rohrs, der – denkt man über ihn nach – mehr als kühn ist und jede falsche Hierarchisierung zwischen den Religionen vom Tisch fegt.

Richard Rohr nennt als Vorbilder für echte Spiritualität auch ältere Mystikerbewegungen, etwa die Wüstenväter. „Sie waren nicht so sehr mit dem ‚Management der Sünde‘ beschäftigt wie wir Kleriker des Westens.“ Ein Seitenhieb gegen die in den Religionen oft bis zum Exzess betriebene Aufspaltung zwischen einer „korrekten“ und einer „unkorrekten“ Teilschöpfung, zwischen erwünschten (rechtgeleiteten) und unerwünschten (sündigen) Verhaltensweisen. Zur Überwindung dieser Spaltung tragen nach Richard Rohr vor allem zwei Faktoren bei: große Liebe und großes Leid. Menschen, die beides nicht erlebt haben, „haben nie aufgrund eigener Erfahrung von Barmherzigkeit und unverdienter Gnade die Mentalität aufgegeben, die die Welt in diejenigen aufteilt, ‚die es verdient haben‘ und ‚die es nicht verdienen.‘ Weil ihnen das fehlt, bleiben sie bewertende, fordernd, unversöhnlich und emotional gehandicapt, wenn es um Empathie und Sympathie geht. Sie verharren im Gefängnis der Leistungsideologie, wo man sich alles verdienen muss.“

Allerdings kann man die Verirrungen institutioneller Religionen – der „Glaubens- und Zugehörigkeitssysteme“ – auch durchaus gnädiger beurteilen: als notwendige Stufen auf dem Weg. Willigis Jäger schreibt hierzu: „Religionen haben verschiedene Stufen – und jede dieser Stufen hat ihre Berechtigung. Bedauerlich ist es nur, wenn man auf einer dieser Stufen stehen bleibt und sie für die ganze Religion hält. Und eben das passiert, wo sich das Ich mit der Befolgung ethischer Richtlinien und Glaubenswahrheiten einer Religion zufrieden gibt und das Gleiche auch von anderen fordert. Auf dem spirituellen Weg der Mystik jedoch werden diese Stufen zurückgelassen.“

Wir haben also zur Mystik einige Stichworte gesammelt, die vielleicht nicht jeder in diesem Zusammenhang erwartet hätte. Demut z.B. Auch Gnade im Sinne eines Verzichts auf scharfe Bewertungen menschlicher Taten, auf die „gnadenlose“ Spaltung zwischen korrekten und sündigen Handlungen. Auch ein anarchistischer Zug zeigt sich bei der Mystik: der Wunsch sich weder vorschreiben zu lassen, was man erleben, noch wie man es interpretieren darf. Es ist vielleicht gar nicht geschickt, sich in der Mystik gleich auf das Endziel, die „Vereinigung mit Gott“ zu konzentrieren. Dieses Ziel könnte zunächst einschüchternd und zu anspruchsvoll wirken, ja religiösen Menschen sogar blasphemisch vorkommen. Zunächst geht es um den Schritt vom Paradigma des Glaubens, Gehorchens und Spekulierens überzuwechseln zu in jenem der unmittelbaren Erfahrung. Man beißt selbst in die Erdbeeren anstatt eingeschüchtert den Predigten anderer über das Erdbeer-Dogma zu lauschen.

Hat man freilich hineingebissen, kann es sein, dass man zu einer ebenso irritierenden wie beglückenden Erkenntnis gelangt: Das „Endziel“ ist zugleich der Ausgangspunkt. Und das, wonach man gesucht hat, war immer schon da.

 

Buchtipp:
gesundbeten mit heiligen_MYSTICA_TV

 

Monika Herz, Roland Rottenfußer: „Gesundbeten mit Heiligen“
Verlag: Kailash
Umfang: gebunden, 224 Seiten
Preis:  14,99 €
ISBN:  978-3-424-63100-5

Hier können Sie das Buch bestellen!

 

 

Über Roland Rottenfußer:

Als Jahrgang 1963 wurde er in München geboren. Nach dem Germanistikstudium Tätigkeit als Buchlektor und Journalist für verschiedene Verlage. Von 2001 bis 2005 Redakteur beim spirituellen Magazin „connection“. Momentan u.a. für Konstantin Weckers Webmagazin www.hinter-den-schlagzeilen.de und für den Schweizer „Zeitpunkt“ tätig.

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Dieser Artikel Mystik als Religionskritik – Roland Rottenfußer ist zuerst auf MYSTICA.TV erschienen.

Qi Gong der Spontanbewegungen: Ein Tanz! – Frithjof Krepp

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Qi Gong ist mehr als Gesundheitsprävention. Qi Gong kann heilen, besonders dann, wenn man dem Qi die Freiheit dafür gibt. Dieser „Freiheitstanz“ des Qi’s beginnt aber erst nach der „normalen“ Qi Gong Praxis. Noch ist diese Möglichkeit in Deutschland nahezu unbekannt. Ihr Bekanntwerden könnte dem Qi Gong hierzulande einen kräftigen Aufschwung geben, weil bei diesem Qi Gong Stil die Selbstheilungskräfte enorm aktiviert werden, was zu den viel zitierten mystischen Qi Gong Wundern führen kann.

 von Frithjof Krepp

 

 

Meine ersten Erfahrungen mit den Spontanbewegungen:

Mitte der 1980er Jahre machte ich einen Taijiquan Basis Kurs bei einer Volkshochschule nähe Frankfurt/Main. Es war meine erste Begegnung mit dieser asiatischen Kunst, deren Hauptaspekte Gesundheit, Selbstverteidigung und Meditation sind. Ich lernte einen Teil des Yang Stils, eine Folge langsamer, fließender Bewegungen und praktizierte diese täglich etwa 20 Minuten. Einige Zeit nach Beendigung des Kurses stellte sich bei mir ein merkwürdiges Phänomen ein. Immer dann, wenn ich die Übung abgeschlossen hatte und entspannt stehen blieb, fing mein Körper an, sich von selbst unwillkürlich zu bewegen.  Manchmal weich und langsam, manchmal schneller, manchmal zuckend. Ich ließ dies zu, denn es war wie ein Tanz, aber ohne Musik, der sich gut und befreiend anfühlte. Da ich nie das Gefühl hatte, dass ich die Kontrolle über mich verlieren könnte, genoss ich diesen Zustand, bis er von ganz alleine wieder ausklang. Leider fand der Taijiquan Kurs keine Fortsetzung, und mein Interesse an weiterer Übungspraxis ebbte nach ca. zwei Monaten ab.

 

Meine Heilung durch das Qi Gong der Spontanbewegungen

Im Herbst 1987 begann für mich eine langjährige Gesundheitskrise mit permanentem Energiemangel und daraus resultierender verschiedenster Symptome. Heute würde man dazu Burnout Syndrom sagen. Ich konnte meinen Beruf als Lehrer an einer öffentlichen Schule ein halbes Jahr gar nicht ausüben. Auch danach war ein Einsatz nur mit 50% reduziertem Stundendeputat möglich. Es war eine lange Leidenszeit, in der ich viele verschiedene Therapien für mich anwandte, aber ohne durchschlagenden Erfolg.

Die Wende kam am Pfingstwochenende 1996. Ich hatte in einer Ankündigung des „Frankfurter Rings“ (Verein in Frankfurt/Main, der u.a. spirituelle Vorträge und Seminare organisiert) gelesen, dass die Qi Gong Großmeisterin Gao Yun mit ihrer Tochter Bai Yin erstmalig in Deutschland sei und an dem besagten Pfingstwochenende ein Qi Gong for Life-Seminar halten würden. Die Ankündigung sprach mich an, und ich entschloss mich, mir die beiden Frauen freitags, an einem Erlebnisabend, einmal anzuschauen, zumal ich über Qi Gong nichts wusste. Als Master Gao Yun im Rahmen des Abends ihre Qi Gong for Life Basis Form vorführte, berührte mich diese Vorstellung sehr, und ich entschloss mich kurzfristig an ihrem kommenden Wochenendseminar teilzunehmen.

Das Seminar fand in einem großen Saal mit über 60 Teilnehmern aus ganz Europa statt. Es hatte zum Ziel, dass am Ende der beiden Tage alle, neben der Erfahrung theoretischer Hintergründe des Qi Gongs, die ersten 18 Bewegungen der sogenannten Schwanen-Kranichübung des Qi Gong for Life-Stiles gelernt haben sollten.

Gegen Ende der Veranstaltung kündigte die Meisterin an, zum Abschluss der Übungspraxis Qi auf die Gruppe abgeben zu wollen, um den Teilnehmern den eigenen Qi Fluss zu erleichtern und zu verstärken. Hierzu sollten wir nach dem Ende der Übungsfolge einfach mit geschlossenen Augen entspannt stehen. Ich wusste nicht, was mich erwartete. Während ich eine angenehme Wärme, von den Fußsohlen ausgehend und über Füße und  Beine nach oben steigend, fühlte, nahm ich verstärkt viele Geräusche im Saal war. Ich öffnete kurz die Augen und sah eine Menge Teilnehmer, die sich spontan bewegten, manche sanft in den Armen und Hüften kreisend, manche mit den Füßen auftretend, manche mit schnellen zuckenden Bewegungen, manche gaben Töne von sich, manche weinten . . . Es war unglaublich. Wo war ich gelandet? Mein Geist riet mir, mich nicht ablenken zu lassen, wieder die Augen zu schließen und mich auf das einzulassen, was mit mir passierte, denn die innere Wärme war angenehm und breitete sich immer mehr in mir aus. Gleichzeitig fühlte ich mich immer schwereloser, und auch mein Oberkörper, meine Arme, Hände und Finger fingen an, sich unwillkürlich zu bewegen. Ich erinnerte mich an den Zustand, den ich fast zehn Jahre vorher nach meiner Taijiquan Praxis erlebt hatte. Nach ein paar Minuten dieses wirklich schönen Zustandes sagte Master Gao Yun, dass wir die Hände auf unseren Unterbauch legen und unser Bewusstsein dorthin fokussieren sollten, um das Qi dort einzusammeln. Dadurch hörten die Bewegungen rasch auf, und ich kam in einen Zustand tiefer, innerer Ruhe.

Ich folgte dem Rat von Master Gao Yun, den sie allen Teilnehmern zum Abschluss des Seminars auf den Weg gegeben hatte und praktizierte in den Folgemonaten täglich zweimal je ca. 20 Minuten Qi Gong for Life. Immer mehr spürte ich, auch ohne direkten Qi Empfang durch Master Gao Yun wie seinerzeit im Seminar, in den folgenden Wochen den Energiefluss. Die Spontanbewegungen am Ende der Übung zeigten mehr und mehr verschiedenste Formen. Dies fühlte sich durchweg angenehm an, egal was sich an Bewegungen oder auch Emotionen zeigte. Irgendwie schien dieser geheimnisvolle Tanz des Qi’s auch meinen Zustand zu verbessern, denn ich fühlte mich nach der Übungspraxis immer sehr gut.

Nach etwa vier Monaten hatten sich mein jahrelanger Energiemangel und die daraus resultierenden Symptome aufgelöst. Ich wieder gesund und in meiner Kraft!

In den folgenden Jahren begann ich, neben einer Qi Gong Lehrerausbildung bei Master Bai Yin, der Tochter von Master Gao Yun, Qi Gong auch bei anderen Lehrern zu lernen. Bei den meisten Lehrern waren die Spontanbewegungen gar nicht im Programm. Glücklicherweise begegnete ich im Shaolin Wahnam Institut in Frankfurt/Main Grandmaster Wong Kiew Kit, von dem ich vorher das Buch „Die Kunst des Qi- Gong“ gelesen hatte, ein Buch, in dem ich erstmals etwas über den geheimnisvollen freien Fluss des Qi’s gelesen hatte. Grandmaster Wong entstammt der Shaolin Tradition und hatte bereits 1997 die Auszeichnung weltbester Qi Gong Meister erhalten. In seinem Buch schreibt er, statt des Begriffs Spontanbewegungen, vom angeregten Qi Strom und von den Heilungen, die dadurch erreicht wurden und erreicht werden können.

Nach jeder Übungseinheit praktizierten wir in allen seinen Seminaren den angeregten Qi Strom. Aus seiner Sicht ist Qi Gong ohne Spontanbewegungen, wie er sagte, auf einem niedrigen Niveau und bessere Gymnastik. Wenn das so ist, fragte ich mich: Warum ist das Qi Gong der Spontanbewegungen in Deutschland nahezu unbekannt? Warum wird es in den Lehrerausbildungen nicht unterrichtet? Die Antwort findet man in der Qi Gong Entwicklung im China der 1980er Jahre.

 

Das Qi Gong der Spontanbewegungen in China

Das Qi Gong der Spontanbewegungen wurde, nach dem Ende der mörderischen Kulturrevolution unter Mao Tse Tung, im China der 1980er Jahre zu einer Massenbewegung. Es kam zu einem regelrechten Qi Gong Fieber, das das ganze Land zu erfassen schien und wurde zu einem Symbol des Aufbruchs nach etwa zehn Jahren Unterdrückung. Man fand sich in großen Gruppen, stellenweise zu Hunderten im Freien und in den Parks großer und kleinerer Städte, zusammen und praktizierte nach der üblichen Qi Gong Bewegungsfolgen des Kranich Qi Gongs Spontanbewegungen. Unter den Praktizierenden waren auch viele kranke Menschen und solche, die von den Ereignissen der letzten Jahre schwer traumatisiert waren. Diese verdanken in dieser Zeit dem angeregten Qi Strom Linderung und Heilung von selbst schwersten Erkrankungen. Leider wurde das Qi Gong der Spontanbewegungen nach einer raschen Blütezeit von der chinesischen Regierung verboten.

Dies hatte zwei Gründe. Konservative Richtungen des Qi Gongs sahen es als unmöglich an, dass man sich so extrovertiert in der Öffentlichkeit präsentierte, Emotionen zeigte, denn es kam auch zum Fließen von Tränen oder Wutausbrüchen. Aus traditioneller asiatischer Sicht kam dies einem „Gesichtsverlust“ gleich.

Die chinesische Regierung sah bald eine mögliche Gefahr, die von den Menschenmengen mit ihren sich frei bewegenden Körpern, von denen es in China immer mehr und mehr wurden, ausging. Wer sich frei bewegt, denkt demnächst das Wort Freiheit, spricht es aus, schreit es heraus, vielleicht mit einem Plakat auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking. Schnell hatte man den einen oder anderen Grund dafür gefunden, dieses politisch ungeliebte Qi Gong der freien Bewegung zu stigmatisieren. Es habe Verletzungen, ja sogar den einen oder anderen Todesfall gegeben, sagte man ihm nach. So verschwand das Spontan-Qi Gong mit seinem freien Fluss, zu Unrecht gebrandmarkt, wieder von der Bildfläche in China, nachdem es für einige Zeit große Hoffnung auf Gesundheit unter den Menschen gebracht und Begeisterung entfacht hatte.

Wer näheres dazu wissen möchte, dem empfehle ich die ausführliche Dissertation von Prof. Dr.Dr.Ots, der zu dieser Zeit in China war und seine Doktor Arbeit über das Qi Gong der Spontanen Bewegung schrieb unter dem Titel: Stiller Körper – Lauter Leib – Aufstieg und Untergang der jungen chinesischen Heilbewegung Kranich-Qi Gong.         

 

Das Qi Gong der Spontanbewegungen im Westen

Das Qi Gong der Spontanbewegungen verschwand zwar in der chinesischen Öffentlichkeit, um vereinzelt im Westen wieder aufzutauchen. Qi Gong Meister wie Master Gao Yun, Master Bai Yin, Grandmaster Wong Kiew Kit u.a., die die Spontanbewegungen als die Essenz der Qi Gong Praxis erkannt hatten, brachten diesen Stil in die westliche Welt, in die USA, Australien und Europa. Hier lebt er weiter und findet langsam mehr und mehr begeisterte Anwender. Mein Glück war es, diesen Lehrern zu begegnen und von ihnen lernen zu dürfen, wie man diesen freien Fluss der Energie, der den Körper spontan bewegt, in Gang setzt und seiner Kreativität Ausdruck verleiht, wodurch ein Raum entsteht, in dem das Qi in den Körper fließen kann, wo sich der sogenannte Yin und Yang Ausgleich vollzieht, das Qi die Blockaden in den Meridianen durchbricht, und Heilungsimpulse gesetzt werden.

Ich wünsche allen Qi Gong Praktizierenden diese wohltuende Erfahrung. Weiterhin hoffe ich, dass ich alle, noch nicht Qi Gong praktizierende Leser, mit diesem Artikel inspirieren konnte.

 

 

 

 

Über Frithjof Krepp :

Er ist Diplom Pädagoge und arbeitet langjährig als Qi Gong Lehrer und Lehrer für Meridianklopftechniken. Er gibt Wochenendkurse, Spezialkurse in Firmen, für Lehrkräfte, das Heil- und Pflegepersonal in Krankenhäusern und Seminarwochen auf Kreta. Qi Gong unter seiner Leitung wird von den gesetzlichen Krankenkassen mit mindestens 75 € bezuschusst.

www.lebensenergie-coaching.de

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Ayahuasca: Einer uralten Medizin auf der Spur – Martin Zoller

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„Ayahuasca ist eine Medizin, die uns helfen kann, mit unserer Seele in Kontakt zu treten und zu lernen, wer wir wirklich sind“, so Martin Zoller. Er machte sich auf die Reise in den Dschungel Südamerikas, um Schamanen und die Pflanze selbst kennenzulernen und zu erleben. In diesem spannenden Reisebericht erzählt er von seinen Erfahrungen und einer ungewöhnlichen Vision.

Zu diesem Thema ist ein gleichnamiger Dokumentarfilm entstanden.

 

Eine Abenteuerreise zum Ursprung der Seele

Die Reise zu den Ursprüngen der Ayahuasca-Pflanze beginnt für Martin Zoller mit einer Vision. „Ich befand mich plötzlich mitten im Regenwald“, erinnert er sich, „und da erblickte ich einen Adler, der sich in die Lüfte hob. Er flog in eine große Stadt.“ Später verstand der Seher und Remote-Viewing Experte, was die Vision ihm sagen wollte: „Der Adler war der Überbringer einer uralten Medizin – er brachte Ayahuasca in die moderne Gesellschaft.“ Und so begab sich Zoller dorthin, wo Ayahuasca seinen Ursprung hat. Dorthin, woher der Adler in seiner Vision gekommen war.

Gemächlich tuckert der Bus über eine unebene Landstraße in den Dschungel. Drinnen halten sich die Fahrgäste an den Sitzen fest, aus den Lautsprechern tönen ecuadorianische Volkslieder. Martin ist nach stundenlangem Flug froh, dass er überhaupt einen Bus in die Urwaldregion an der ecuadorianisch-kolumbianischen Grenze erwischt hat. Jahrzehntelang galt das Gebiet als Sperrzone für Ausländer. Wenige Monate zuvor waren die Zufahrtsstraßen noch von schwer bewaffneten Soldaten der FARC bewacht worden, einer kolumbianischen Guerillabewegung, die sich bis Juni 2016 einen blutigen Bürgerkrieg mit der Regierung lieferte.

Die letzten 30 Kilometer auf den verschlungenen Pfaden im Dschungel legt der Schweizer stehend auf der Ladefläche eines kleinen LKW zurück. Um nicht herunterzufallen, halten sich er und seine Reisebegleiterin Karina Luna an einer dort installierten Leiter fest. Auch Karina sehnt sich nach der langen, beschwerlichen Reise nach einem Bett. Die bolivianische Schamanin führt seit fünf Jahren Ayahuasca-Zeremonien in ihrem Land durch. Sie ist es auch, die den Kontakt zu den Einheimischen hergestellt hat.

Als sich das Auto dem Indianerdorf nähert, dämmert es bereits. Im Dorf angekommen erscheint ein Indianer in westlich anmutender Kleidung an der Tür. Herzlich begrüßt er Karina und Martin. Es ist Norman Luis Piaguaje, der jüngere der beiden Schamanen des Siona-Stammes. „Kommt gleich mit“, sagt er und macht dabei eine einladende Handbewegung, „wir machen heute Abend eine erste Zeremonie.“

Schamane Norman in der Ayahuasca Küche

Norman führt Martin Zoller und Karina Luna durch den pechschwarzen Urwald. Mit einer kleinen Taschenlampe leuchtet er dabei einen winzigen Trampelpfad aus, während es in den Büschen und Sträuchern links und rechts raschelt. Nach wenigen Minuten stehen sie vor einer großen, einfachen Holzhütte auf einer künstlich angelegten Lichtung mitten im Dschungel. „Dies ist das Zeremonienhaus, die Maluca“, erklärt Norman.

Nun kommt ein älterer Indianer mit Federschmuck und rituellen Gegenständen um den Hals auf sie zu. Es ist Don Felinto Piaguaje, Normans Vater und der Oberschamane des Siona-Stammes. Höflich gibt der um die 70 Jahre alte Mann Martin die Hand und bittet ihn einzutreten. In der Maluca ist es dunkel. Eine Stunde lang liegen Martin, Karina und einige weitere Besucher in ihren Hängematten und lauschen den tropischen Vogelstimmen aus allen Richtungen. Dann werden sie zu Norman und seinem Vater Don Felinto gerufen.

Die beiden erfahrenen Schamanen beschreiben das Prozedere und geben Tipps: „Am besten ist es, sich für die Ayahuasca-Sitzung ein Thema vorzunehmen, das man bearbeiten möchte“, rät Don Felinto. Sein Sohn Norman fügt hinzu: „Wer sich übergeben muss oder ein Geschäft zu erledigen hat, geht bitte in diese Richtung“, und deutet mit seinem Arm hinter die Hütte. Schon bald wird Martin diesen Tipp zu schätzen wissen.

Dann entzünden die Schamanen Räucherwerk und stimmen rituelle Gesänge an, um das „Yahé“ zu beschwören – so nennen die Siona-Indianer ihr Gebräu. Bei diesem uralten Ritual werden die Ahnen angerufen, um während der Zeremonie Schutz und Hilfe zu leisten. Aus einem großen Topf verabreicht Norman dann jedem Gast ein kleines Glas, in dem sich die dicklich-braune Brühe befindet. Martin setzt das Glas an und trinkt es in einem Zug leer. Der Sud schmeckt bitter-säuerlich. Leicht benommen findet er seinen Weg zurück zur Hängematte. Dann ändert sich plötzlich alles…

 

Martin ist schlecht. Er springt auf und folgt Normans Wegbeschreibung hinter die Hütte, wo er sich zwischen den Sträuchern übergibt. Auch zu Durchfall soll es nach der Gabe von Ayahuasca immer wieder kommen. Beides empfinden die Konsumenten als befreiend und reinigend. Martin kehrt zu seiner Hängematte zurück und gibt sich der Erfahrung hin.

„Plötzlich tauchten meine Großeltern auf“, erinnert er sich. „Das war ganz real. Ich konnte sie wirklich sehen! Und dann lebte ich auf einmal nicht mehr dreidimensional, sondern wie in einem Hologramm. Meine Großeltern sahen so aus wie ich sie kannte, als sie alt waren. Sie haben mir ihre Präsenz gezeigt: Wir sind hier, wir gehören noch zu Dir. Da habe ich verstanden, dass sie gar nicht tot sind, sondern nur in einer anderen Dimension. Und was dann passierte, das war selbst für mich als Medium schon fast unglaublich!“.

Als die heftigsten Erfahrungen nachlassen, setzt sich Martin zu den beiden Schamanen Norman und Don Felinto, die inzwischen ein Feuer entfacht haben. Nachdenklich starrt der Ältere in die züngelnde Flamme. Früher sei hier alles anders gewesen, berichtet er. Alle Mitglieder seines Stammes trafen sich regelmäßig zu den Ayahuasca-Zeremonien. Die gemeinsame Erfahrung des Eins-Sein mit Allem stärkte das Gefühl, zusammen zu gehören, half dabei, Konflikte zu klären, Harmonie in der Gemeinschaft herzustellen.

Je nach Stamm unterscheidet sich die Zusammensetzung des psychedelischen Trunks ein wenig. Auch die Siona haben ihre Geheimnisse bei der Zubereitung, die sie nur mit wenigen teilen. Gringos – also solche wie Martin – gehören in der Regel nicht dazu. Doch tags darauf darf Martin den Schamanen Norman bei der Suche nach Ayahuasca-Bestandteilen begleiten. Geschickt klettert Norman zwei bis drei Meter einen Baumstamm hinauf. Mit einer großen Machete hackt er die Ayahuasca-Liane vorsichtig vom Baumstamm herunter.

Unten vor dem Baum hat Norman einen Plastiksack ausgebreitet, in den er die fertig zugeschnittenen Stücke hineinwirft. Mit dem vollen Sack auf dem Rücken geht es zurück zur „Küche“. Sie besteht aus einer an vier Holzpfeilern aufgespannten Plastikplane über einem großen Kochtopf, der auf eisernen Stangen über einer Feuerstelle steht. Dann gehen Norman und Martin erneut ins Dickicht. Ohne die Machete wäre hier kein Vorankommen möglich. Doch die Pflanze, die den psychoaktiven Wirkstoff von Ayahuasca enthält, wächst nur hier, an den unzugänglichsten Orten tief im Dschungel.

Die Maluka ist das Zeremonienhaus in dem die Rituale durchgeführt werden

Endlich sind sie angekommen. Mit routinierten Handbewegungen zupft Norman einige Blätter von einem unscheinbar wirkenden Strauch: Chacruna nennen sie die Siona-Indianer. Die Pflanze mit der botanischen Bezeichnung Psychotria viridis enthält das psychedelisch wirksame DMT. Nur gemeinsam mit der Liane entfaltet der Ayahuasca-Trunk seine bewusstseinsverändernde Wirkung. Denn die darin enthaltenen Harman-Alkaloide sorgen dafür, dass der Körper DMT nur sehr langsam abbauen kann. Dadurch erweitern sich die Sinne, öffnet sich der Zugang zur Geisterwelt…

Vier Stunden sind Martin und Norman bereits im Dschungel unterwegs. Inzwischen haben sie einen großen Sack mit Chacruna-Blättern gesammelt. Martins Körper ist übersät mit Mückenstichen. Seltsamerweise scheinen sich die kleinen Blutsauger kein bisschen für Norman zu interessieren, der mit kurzen Hosen und ärmellosem Hemd kaum einen Stich aufweist. Eigentlich wäre es nun Zeit für eine kleine Siesta – doch die wirkliche Arbeit fängt jetzt erst an.

Mit einem groben Holzknüppel dreschen Norman und sein Vater auf die Lianenstücke ein, die vor ihnen auf einem Stein liegen. Im Inneren offenbaren die aufgeplatzten Stängel rosarot gefärbte Holzfasern. Auch Martin macht mit. Das laute Tack-tack des Holzknüppels ist bis weit in den Dschungel zu hören. Während Don Felinto das Feuer unter dem großen Kessel entfacht, wäscht Sohn Norman die Chacruna-Blätter und sortiert einige aus. Viele Blätter sind von Insekten löchrig gefressen.

Endlich sind alle Zutaten im Topf. Das Feuer lodert, der Sud köchelt vor sich hin. „Wie lange dauert es jetzt, bis es fertig ist?“, fragt Martin den Oberschamanen. „Mindestens sechs Stunden muss das kochen – manchmal braucht es tagelang“, antwortet Don Felinto und lächelt über seine ungeduldigen westlichen Besucher…

Martin wagt es, die Eintönigkeit mit einigen Fragen zu unterbrechen. Woher weiß man als Schamane, welche Pflanze im Dschungel gegen welche Erkrankung hilft? Don Felinto schaut auf: „Für uns ist der Yahé-Trank ein Lehrmeister. Wenn wir Yahé einnehmen, dann verstehen wir, dass die Bäume auch Personen sind. Dann verraten sie uns ihr Geheimnis.“ Der alte Schamane wirft ein Stück Holz ins Feuer und fährt fort: „Manchmal kennt ein kleiner Baum sehr viel Medizin, und er erzählt mir, wie man sie zubereitet, damit sie wirkt.“

„Also verbindest Du Dich mit den Bäumen und sprichst mit ihnen?“, fragt Martin ungläubig. Don Felinto antwortet: „Naja, wenn man Yahé nimmt, dann wird man selbst zu einem Baum und man redet sozusagen unter seinesgleichen. Er sagt dann: Ich bin für das und das gut, und du musst mich so und so vorbereiten.“ Martin betrachtet die Flammen, die unter dem Kessel vor sich hin züngeln. „Was muss man als Schamane mitbringen, um ein solches Wissen über die Heilkräfte der Natur zu erlangen?“, fragt er. „Man muss rein sein in seinem Leben und in den Gedanken“, erklärt Don Felinto vieldeutig, „und man darf keine Angst haben. Dann wird man von Yahé zur Erkenntnis geführt.“

Am Abend beginnt die zweite Ayahuasca-Zeremonie. Martin hat sich ein Ziel gesetzt: Er will versuchen, Prophezeiungen zu empfangen. Nachdem Don Felinto und Norman ihre Schamanenkleider angezogen und Räucherwerk entzündet haben, reichen sie ihm und anderen den Trank. Doch diesmal hält der Geist von Yahé unangenehme Bilder bereit.
Während Martin im Dunkeln in seiner Hängematte liegt und darauf wartet, dass die Wirkung einsetzt, spürt er, wie eine dickflüssige, klebrige Flüssigkeit aus seiner Hängematte steigt und ihn bis zum Hals eindeckt. Er schaut an sich herab. Es ist Öl. Erdöl. Das Gefühl wird derart unangenehm, dass er seine Hängematte verlassen muss. Draußen im Dschungel hat sich alles verändert.

Wo vorher Bäume standen, erblickt Martin nun eine riesige Industrieanlage. Statt Baumstämmen erblickt er Kamine, statt Ästen Rohrleitungen, statt Büschen gebogene Drähte. Der Waldboden unter ihm leuchtet phosphoreszierend – fast so, als bestünde er aus Neonröhren. Martin ist von diesem Anblick derart überwältigt, dass er in die Zeremonienhütte zurückkehren muss. Nach einer kleinen Meditation wagt er sich wieder hinaus in den Dschungel. Nun ist seine Vision plötzlich anders. Aus den Drähten und Kaminen sind riesige menschliche Schatten geworden. Menschen überall, wohin das Auge blickt.

Doch diese Menschen verhalten sich sonderbar: „Ich sah, dass der eine Baum, der einen Mann darstellte, immer so eine Bewegung machte, als wenn er etwas trinken würde. Gleichzeitig hat er auf sehr hohle und sinnlose Art mit einer Frau kommuniziert, die neben ihm war. Und dann haben die ganzen anderen Bäume ringsherum angefangen zu lachen oder miteinander zu diskutieren, aber ebenfalls auf eine sehr hohle und monotone Art. Da habe ich verstanden, dass all dies Teil der Prophezeiung war.“

 

Hauptschamane Don Felinto, Martin Zoller und Karina, eine Schamanin aus Bolivien

Für Martin steht fest, dass er in jener Nacht einen Blick in die Zukunft der Menschheit warf. „Die Prophezeiung zeigte nicht irgendeinen dritten Weltkrieg, in dem die Menschheit ausgelöscht wird, aber trotzdem eine Warnung. Wir werden in eine technisierte Gesellschaft gehen, in der wir wie gehirnlos wirken, wo wir einfach trinken, rauchen und miteinander plaudern, aber zu keiner wirklich tiefen Auseinandersetzung mehr fähig sind, weder mit anderen noch mit uns selbst.“

Nachdenklich steuert er die letzten Etappe seiner Reise an – den Titicacasee, der größte und höchstgelegene Salzsee Südamerikas. Martin hat sich mit Ninnet Pereyra verabredet. Sie arbeitet als Psychologin in einer peruanischen Entzugsklinik. „Ayahuasca wird bei uns im Zusammenspiel mit anderen Therapieformen verwendet, um drogenabhängige Jugendliche auf einen neuen Weg zu bekommen“, berichtet sie ihm. „In La Paz zum Beispiel setzt man Ayahuasca erfolgreich ein, damit die Jugendlichen sich über ihre Situation klarwerden. Warum tue ich, was ich tue? Mit jeder Einnahme verstehen sie immer besser, wie sie abhängig werden konnten und lernen, sich zu hinterfragen: Was macht die Droge mit Dir? Aus welchem Grund nimmst Du sie? Wie gehst Du mit den Mitmenschen um? Was ist es, das Dir schadet?“ Die Erfolgsquote sei enorm, so Ninnet. Natürlich spiele auch die Betreuung durch geschulte Psychologen eine wichtige Rolle.

Die Abenddämmerung setzt ein. „Ist Ayahuasca vielleicht eine Art Weckruf, um uns wieder in Verbindung mit unserer Seele zu bringen?“, fragt Martin. Ninnet nickt. „Durch Ayahuasca habe ich verstanden, dass ich ein Teil des Universums bin – zwar nur ein ganz kleiner, aber ein ganz wichtiger.“

Von Martin Zoller

 

Film zum Thema:

„Ayahuasca: Einer uralten Medizin auf der Spur“
Ein Film von: Martin Zoller und Robert Fleischer
Protagonisten: Norman Luis Piaguaje, Don Felinto Piaguage, Karina Luna, Eveline Ballesteros, Ninnet Pereyra, Daniel Maldonardo
Laufzeit: ca. 78 Minuten
Sprache: Deutsch
EAN: 4260155682124
Bestellnummer: DOK17_03

Webseite zum Film: https://ayahuasca-film.de/

Infos zum Film von Exomagazin.tv (Robert Fleischer)

 

Eventtipp:

Martin Zoller ist einer der Referenten des zweiten großen Übersinnlichen-Kongresses „Medialität und Heilung“ am 17. und 18. März 2017 in Taufkirchen bei München. Dort wird er über seine Erfahrungen, schamanische Spiritualität und sein Talent als Seher sprechen und einen Workshop anbieten.

Dieser Artikel Ayahuasca: Einer uralten Medizin auf der Spur – Martin Zoller ist zuerst auf MYSTICA.TV erschienen.

Pflanzen sind Weisheitsträger – Karin Leffer

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Wer die Verbindung zur Natur verliert wird verrückt – ver-rückt im wahrsten Sinne des Wortes. Die Gedanken, Absichten und Taten sind weggerückt von dem Weg, den wir eigentlich beschreiten sollten. Die Autorin erhält auf medialem Wege Informationen der Pflanzenwesenheiten. So sprach sie für unseren Artikel mit dem Pfaffenhütchen…

von Karin Leffer

 

 

Schamanen raten also nicht ohne Grund dazu, sich so viel wie möglich in der Natur aufzuhalten. Sie selbst sind oft wochenlang im Wald, in den Bergen usw., weit weg von jeglichen Siedlungen, um ihr inneres Gleichgewicht wieder herzustellen und sich zu reinigen. Unser Geist soll wieder gerade gerückt werden, wenn wir also von einem Schamanen die Anweisung erhalten, in die Natur zu gehen. Warum ist das so? Wo ist der Unterschied zu unseren Wohnungen, Industrie- und Büroarbeitsplätzen? Es sind die Pflanzen und Tiere, die unser Innerstes berühren, die uns zu uns selbst zurückbringen. Schon ein kurzer Waldspaziergang gleicht unsere Stimmung aus. Das liegt nicht nur an der frischen Luft und der Bewegung. Es ist ein Netz von Energien in das wir eintauchen, ein Netz von Informationen, über die Düfte, Farben und Formen der Landschaft, der Pflanzen und Tiere. Alles um uns herum trägt eine Botschaft, will uns etwas sagen und beeinflusst uns unbewusst.

Früher, als die Menschen noch viel intensiver in der Natur und mit der Natur lebten, war der Zugang zu diesen Informationen und Naturwesen für die Menschen noch leicht. Heute, wo noch nicht einmal das Wetter eine große Rolle spielt, weil man sich die meiste Zeit in geschlossenen Räumen, womöglich noch klimatisiert, aufhält, ist es für die meisten Menschen schwierig geworden, die Botschaften der Naturwesen zu empfangen. Wir fühlen zwar die ausgleichende Wirkung, wenn wir einmal einen Spaziergang wagen, können aber noch nicht einmal mehr sagen, woher diese Wirkung kommt.

Die Pflanzenwesen haben eines Tages angefangen, mir zu erzählen, wofür sie auf diese Erde gekommen sind, welche Aufgaben sie haben und wie sie uns helfen, unsere Seelenaufgabe hier erfüllen zu können. Am Anfang wusste ich nicht, was der Zweck dieser Texte und Bilder war. Erst im Laufe der Zeit verstand ich, dass daraus ein Buch werden sollte. Sie übermittelten mir nicht nur die Texte, sondern auch symbolhafte Bilder als Ausdruck ihres Wesens. Ich bin immer wieder überrascht, wenn die Leser erzählen, wie treffend für sie die Aussage einer Pflanze war, die sie intuitiv ausgewählt hatten.

Sie sind uns ein Spiegel, halten uns einen Spiegel vor, warnen, beraten und helfen. Sie sind eingewoben in unseren Märchen, sind Teil der Geschichten und man fragt sich, was war zuerst da, das Märchen oder die Pflanze.

Nehmen wir das Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus). Sie wird auch Spindelstrauch genannt, weil aus ihr früher Handspindeln hergestellt wurden. Alle Teile dieser Pflanze sind giftig, besonders die Samen.

 

©2017Karin Leffer und Reichel-Verlag

Das Pfaffenhütchen – die Zauberin

„….. Ich bin eine starke Pflanze, eine Feenpflanze, eine Zauberin mit Verbindung zur Anderswelt, für Verschwörungen, Verwünschungen und Zauberformeln. Ich bin in beiden Welten zuhause – in der Wirklichkeit und in der nichtalltäglichen Wirklichkeit. Ich bin eure Botin, Nachrichtenübermittlerin an die Anderswelt, an Urds Netz….“

(Erläuterung: Urd, Verdandi und Skuld sind nach der germanischen Mythologie die drei Schicksalsgöttinen, die älter sind als alle anderen Wesen und an einem Brunnen am Fuße des Weltenbaums sitzen. Dabei spinnt Urd den Schicksalsfaden, Verdandi misst ihn ab und Skuld schneidet den Faden ab.)

„…. Du hast mich gewählt, weil du Schutz brauchst vor negativer Energie, die dir entgegengebracht wird, vor Angriffen von negativer Energie und vielleicht sogar von schwarzmagischen dunklen Energien. Ich werde dich schützen und die Energien wandeln, wie die Fee bei Dornröschen, die den Tod in einen 100jährigen Schlaf wandelte. Ich bin deine Botin zu den Wesen der Anderswelt.

Aber hüte dich selbst vor der Aussendung von negativen Wünschen, alles kommt siebenfach verstärkt zurück. Es liegt kein Friede darin andere Menschen beeinflussen zu wollen, auch wenn es gut gemeint ist. Überlege also wohl, was du wünschst.

Ich bin deine Spindel, mit der du den Schicksalsfaden spinnst, deinen Schicksalsfaden.

Deinen Schicksalsfaden zu Urds Netz mit dem alles und jedes verwoben und verbunden ist. Ich bin dein Zugang zu Urds Netz, zu Urd, zu Verdandi und Skuld, die an der Quelle am Fuße des Weltenbaumes sitzen, den Schicksalsfaden spinnend, abmessend und abschneidend, wenn die Zeit gekommen ist.

Ich bin die Spindel von Urd. Ich bin dein Bote zu Urd an der Quelle. Schade dir nicht selbst. Nutze mich weise, wie die Weisen Frauen. Ich bin die Pflanze der Spinnerinnen. Ich bin der Spindelbaum, der ein Geschenk in deinen Händen sein kann, aber auch ein Gift.

Du spinnst deinen Schicksalsfaden selbst und doch nicht….

….. Besuche mich im Riss zwischen den Welten, zwischen Licht und Finsternis und ich werde dir eine treue Gefährtin sein, deinen Schicksalsfaden spinnend, drehend, wie die Schnur der DNS, wie die Spirale des Lebens.

Ich bin in deinen Händen und zugleich in Urds.“

 

Buch der Autorin:

„Heilende Pflanzenwelten“ von Karin Leffer

Verlag: Reichel (2017)

Umfang: 263 Seiten, kartoniert

Preis: 19,90€

ISBN: 978-3-946433-95-8

Hier bestellen!

 

 

Über Karin Leffer:

In ihrer Praxis bietet sie Workshops an, veranstaltet Meditationen und schamanische Trommelreisen und arbeitet an einem zweiten Buch. Es ist Ihr eine große Freude als Botschafterin für die Pflanzenwesen tätig zu sein und ihre Geschichten zu erzählen.

www.die-regenbogenbruecke.com

 

 

Dieser Artikel Pflanzen sind Weisheitsträger – Karin Leffer ist zuerst auf MYSTICA.TV erschienen.


Der Weg zum Glück: Was tun? – Michael Weinert

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Wer von uns möchte nicht glücklich, gesund und in Fülle leben!? Aber wer von uns tut es wirklich und wie kommt man da hin? Michael Weinert hatte, wie er es heute sieht, das Glück, bereits mit 38 Jahren den Zusammenbruch zu erleben. Die aus der Verzweiflung resultierende Offenheit für bis dahin von ihm belächelten alternativen Weisheiten und Heilmethoden führten ihn im Verlauf der nächsten gut 10 Jahre in ungeahnte Bereiche des Wohlgefühls und der Fülle. Vom Sternzeichen Jungfrau her analytisch begabt, schildert er hier die Faktoren, die für ihn den Erfolg seines Weges ausmachen. Denn er wollte nicht nur suchen und auf dem Weg sein, sondern auch finden und ankommen. Und das, wenn möglich, in überschaubarer Zeit…

von Michael Weinert

 

 

Alles, was ich anpacke, mache ich gründlich, effizient und mit 100 Prozent Einsatz. Und so knallte mein Leben im Jahr 2003 mit Vollgas am Ende der Sackgasse frontal gegen die Mauer. Alles, was ich bis dahin an Wissen und Können angesammelt hatte – und darauf war ich mit Recht stolz, denn ich war in vielen Disziplinen in der Spitzengruppe – hatte mich nicht davor bewahren können, dass ein sehr schmerzhafter Bandscheibenvorfall mir eine mögliche Arbeitsunfähigkeit als Außendienstler vor Augen führte, meine langjährige Partnerschaft (vom 19. bis 38. Lebensjahr) in Trümmern lag und der Arbeitsberg vor meinen Augen nicht kleiner sondern immer größer wurde, obwohl ich meine Arbeitsgeschwindigkeit und -effektivität stets weiter gesteigert und die Ruhepausen minimiert hatte. Ich war kräftemäßig am Ende und ratlos. All mein Wissen und Können war ohne Wert und hatte die Katastrophe nicht abwenden können.

Heute weiß ich, dass genau das Aufgeben der Glaubensmuster, die mich dahin geführt hatten wo ich damals war, der Startpunkt meines Heilungsweges war. Nicht jeder braucht den schmerzhaften Weg über die Erfahrung, um zum Loslassen zu kommen, aber wohl die meisten, zumindest noch in meiner Generation (Jahrgang 1964). Ich habe das Gefühl, dass bei der nachfolgenden Generation zunehmend mehr Offenheit für alternative Denkweisen und weniger Bereitschaft zur Selbstkasteiung vorhanden ist. Das würde den leichteren Lernweg, nämlich den durch Erkenntnis, befördern und harte Erfahrungen durch Widerstand gegen den Fluss des Lebens verringern.

Heute, wo ich mich angekommen fühle und nicht mehr auf der Suche befinde, in großem Umfang die Früchte meiner inneren Reise ganz konkret auch im täglichen Leben genieße, kann ich Schwierigkeiten und Hindernisse benennen, die mir auf dem Weg vom Startpunkt in Richtung Ziel begegneten und mich damals noch sehr irritiert, zum Teil frustriert haben und manchen Impuls verursacht haben, den Weg aufzugeben, weil ein Erfolg nicht absehbar war. Ich hatte auf halbem Weg durchaus Befürchtungen, ein esoterischer Spinner zu werden, der weder weiterhin beruflich erfolgreich sein würde, weil er dafür zu wenig arbeitet, noch am Ziel des inneren Glücks und der Zufriedenheit jemals ankäme, weil es sich beim ernsthaften Ausprobieren vielleicht doch nur als eine schöne Illusion herausstellen würde.

Auf der anderen Seite gab es in meinem Kopf irgendwann eine Gewissheit, dass ich mir die Folgen weiteren unbewussten Handelns auf Dauer gar nicht würde leisten können – die Folgen in Form von Schicksalsschlägen, Krankheiten und ähnlichem. Ich war entschlossen, meine aus dem Studium der Bücher und Seminare entstandene Schlussfolgerung in aller Konsequenz auszuprobieren. Irgendwie überzeugt, dass die Investition von mehreren Tausend Euro pro Jahr in Seminare und Heiler sowie der täglichen Stunden an Geistesschulung über Bücher, Meditationen, den „Kurs in Wundern“ etc. sich am Ende auszahlen würden in Form eines ruhigen, dramafreien Lebens bis hin zu einem ruhigen, harmonischen Lebensende. Alle Hinweise in meinen Quellen deuteten darauf hin, dass es so sein müsse, aber ich hatte keine Beweise, ob es bei mir und im Alltag so funktionieren würde und niemanden, der mir dies wirklich bestätigen konnte. Im Gegenteil, viele in meiner Nähe zogen skeptische Mienen und ich war allein auf meinem Weg ins Unbekannte.

Daher will ich allen, die auf dem Weg sind oder es sich überlegen, ob sie starten sollen, und denen, die vielleicht gerade auf halbem Weg kurz davor sind umzudrehen, Mut machen und Klarheit verschaffen über die hindernden Mechanismen, die wohl in uns allen mehr oder weniger wirken, und die Vorgehensweisen aufzeigen, die uns durch Krisen hindurch zum Ziel helfen. Ich sehe auch viele, die schon lange auf dem Weg sind, aber sich immer noch auf der Suche befinden statt irgendwann das Gefühl zu haben, angekommen zu sein. Ich möchte daher auch Mechanismen benennen, die in meinen Augen den Unterschied zwischen “Ankommen” und “auf dem Weg sein” ausmachen.

 

Ausdauer und Demut

Diese zwei Eigenschaften, die im Mainstream wenig Konjunktur haben, helfen uns auf dem Weg. Beide können aber leicht als Leidensfähigkeit und Selbsterniedrigung missdeutet oder fälschlicherweise als solche gelebt werden. Der ungeschulte Geist wird vom Ego / Schmerzkörper gesteuert und daher immer wieder zu leidhaften Erfahrungen als Ladestation und Verstärkung dieses Geisteszustandes geführt (das Ego / der Schmerzkörper haben nach meinem Verständnis keine selbständige Existenz, sondern sind Geisteszustände). Ausdauer in meinem Sinne heißt, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, egal wie die derzeitige Reaktion oder Befindlichkeit meines Systems darauf ist. „Ein Kurs in Wundern“ formuliert es wunderbar und das gilt für alle heilsamen Nachrichten und Ideen, die uns in verschiedenster Form auf unserem Weg begegnen können:

“Es wird dir schwerfallen, manche der Gedanken, die im Übungsbuch dargelegt werden, zu glauben, andere wieder mögen dir ziemlich überraschend vorkommen. Das spielt keine Rolle. Du wirst nur gebeten, die Gedanken so anzuwenden, wie du angeleitet wirst. Du wirst nicht gebeten, sie überhaupt zu beurteilen. Du wirst nur gebeten, sie anzuwenden. In ihrer Anwendung wird sich dir ihre Bedeutung erschließen, und sie wird dir zeigen, dass sie wahr sind. Denke nur an dies: Du brauchst die Gedanken nicht zu glauben, du brauchst sie nicht anzunehmen, du brauchst sie nicht einmal willkommen zu heißen. Einigen darunter wirst du dich vielleicht aktiv widersetzen. Nichts von alledem spielt eine Rolle, noch wird es ihre Wirksamkeit vermindern. Erlaube dir aber nicht, bei der Anwendung der Gedanken, die das Übungsbuch enthält, Ausnahmen zu machen, und wende sie an, was auch immer deine Reaktionen auf diese Gedanken sein mögen. Nicht mehr als das ist erforderlich.”

Nett gesagt: „Nicht mehr als das ist erforderlich“! Dies bedeutet nämlich das extrem Herausfordernde, was ich mit Demut meine; die dem Ego und konventionellen Denken genau entgegengesetzte Überzeugung: „Ich weiß eben nicht, was wirklich gut für mich ist. Denn wüsste ich es, wäre ich nicht da gelandet, wo ich derzeit bin. Würde ich mich da wohlfühlen, wäre ich nicht auf der Suche!“ Diese schlichte Logik hat mir geholfen in vielen Momenten, wo mir blindes Vertrauen in den neuen Weg und Loslassen aller alten Sicherheiten schier unmöglich schien. Aber anders hätte Christoph Kolumbus nicht Amerika gefunden…

 

Gehe weiter als Du meinst!

Auf dem Weg zu Fülle und innerer/äußerer Gesundheit hat mich immer wieder beeindruckt, wie das Universum alles viel tiefgründiger meinte, als ich erst dachte. Mich darauf einzulassen, wurde mit Wohlgefühl, positiven Erfahrungen und Heilungen belohnt, die jenseits dessen waren, was ich mir bis dato vorstellen konnte. Wir sollten uns bewusst sein, dass unser Denken und Vorstellungsvermögen nur relativ funktioniert. Die oberste Grenze dessen, was wir erlebt haben, sind für uns 100 Prozent. Mehr scheint uns unbewusst nicht möglich zu sein und damit sind wir zufrieden. Das Universum will uns aber die ganze Fülle zeigen und zur Verfügung stellen, dazu braucht es unsere Offenheit für ein Mehr, die 200 und 300 Prozent, die Vorstellungskraft für ein Land jenseits des eigenen geistigen Gartens.

Es gibt immer wieder außergewöhnliche Menschen, die uns diese Welt jenseits unseres Theatervorhangs aufzeigen. Denken wir nicht, sie lebten in einer anderen Welt, die uns verschlossen wäre! Lassen wir uns inspirieren statt frustrieren vom scheinbar übermächtigen Vorbild. Wir alle sind auf geistiger Ebene aus demselben Holz geschnitzt. Was einem Einzigen gelingt, kann auch mir gelingen. Wenn ich etwas noch nicht kann, heißt es nur, dass ich noch etwas üben sollte oder noch unbewusste Hindernisse in mir existieren, die auf Heilung und Anschauen warten – das ist alles! Ich kann sie aus dem Weg räumen, ob in dieser Inkarnation oder in anderen, ob in dieser Dimension oder anderen – was soll’s?! Die Wege sind individuell, das Ziel ist universell.

 

Raus aus dem Widerstand

Um ungeahnte Potentiale und Möglichkeiten für sich entfalten zu können, ist es unabdingbar, darauf zu verzichten recht haben zu wollen mit den eigenen Einstellungen, Meinungen und Urteilen über eine Situation. Zum Beispiel, dies oder jenes wäre für mich nicht zumutbar / zu gefährlich / nicht gut für mich etc.  Das ist gefühlt eine echte Zumutung für das Ego, wie so viele andere Anforderungen auf dem Weg auch. Aber wir wollen ans Ziel und jenseits der engen Grenzen des bisherigen Lebens und so lassen wir uns wieder einmal entgegen unserer spontanen Gefühlsregungen auf dieses Experiment ein… – es wird sich lohnen! Wie sehr, das sehen wir erst hinterher, im Vorhinein bekommen wir keine Garantien. Am konsequenten Ausprobieren führt kein Weg vorbei. Schlauer sind wir nur hinterher!

 

Wegweiser und Leuchttürme

Ich bin dankbar für alle – auch oder gerade die schmerzhaften – (Partnerschafts-)Erfahrungen, Heiler und Autoren, die mir auf dem Weg begegnet sind und weiter begegnen. Je mehr ich lerne, auf Widerstand und Urteilen zu verzichten, umso leichter und schöner wird mein Leben. Es braucht immer wieder mal Wegweiser und im Fall von Orientierungslosigkeit im Nebel auch Leuchttürme und sie kommen immer zur rechten Zeit, auch wenn ich manchmal noch zu ungeduldig sein mag. Aber wenn ich auf Höhe des Leuchtturms oder am Wegweiser vorbei bin, hat er seine Funktion für mich erfüllt und der nächste Wegweiser oder Leuchtturm weiter vorn wird wichtig für mich. Das buddhistische „nicht Anhaften“ bekommt so seinen Sinn für mich: nicht anhaften an Situationen und Positionen, nicht an Materiellem und nicht an Personen. Alles hat seine Zeit, es kommt und geht. Das Ewige ist nicht auf der Ebene der wandelbaren Formen zu finden.

 

Wie innen so außen

Ich habe gelernt, das Außen als Spiegel meines Innen zu begreifen. Wenn mir das Gesicht im Spiegel nicht gefällt, hilft es nichts, den Spiegel auszutauschen (Partner, Arbeitsstelle, Wohnort). Ich selbst muss zum Lächeln finden – und zwar unabhängig von den äußeren Umständen! Erst wenn mir dies gelingt (nicht immer, aber immer öfter), werden die äußeren „Lehrer“ unnötig und verschwinden aus meinem Leben – ganz von selbst. Probleme lösen sich auf, Menschen oder Umstände verschwinden aus meinem Blickfeld und andere Optionen tauchen von alleine auf. Aber eben nicht aktiv von mir erdacht und mit Macht gesteuert, sondern von selbst, durch den Fluss des Lebens. Nur dieser weiß, was wirklich wie lange gut für mich ist. Das können, bei entsprechendem inneren Widerstand, gerade die herausfordernden, mich aufregenden Dinge sein. Je mehr ich dies erkenne und tatsächlich ohne operative Zuwiderhandlungen geschehen lassen und leben kann, umso mehr ändert sich mein Leben vom Widerstand gegen Etwas zum freudigen Wählen dessen, wo es mich mit dem Herzen hinzieht und was mir „von selbst“ in den Schoß fällt.

 

Gestalter statt Spielball

Sobald man das, was einem im Leben als scheinbar zufälliges Schicksal, Krankheit und Drama begegnet, nicht mehr als „reinen Zufall“ begreift, sondern als etwas, was einem aufgrund der aktuellen inneren Resonanz zufällt (nicht im Sinne von Schuld sondern im Sinne eines hilfreichen Feedbacks des Universums), dann wandelt sich das Selbstverständnis weg vom Spielball des Lebens („Ich kann ja sowieso nichts ändern oder bewirken, muss froh sein wie es läuft“) hin zu einem aktiven Gestalter und Entwickler des eigenen Lebens („Ich kann mich ent-wickeln und allmählich aus früheren Verstrickungen lösen, dadurch mein Leben einfacher, leichter und schöner machen“).

Man kann lernen, die Zeichen zu deuten und für die eigene Entwicklung zu nutzen – ähnlich wie beim Spiel „Topfschlagen“, wo wir selbst blind sind, uns andere aber „heiß / kalt“ zurufen und so die Richtung weisen. In dem Maß, wie wir bereit sind dies als wahr anzunehmen, werden wir Erfolge verbuchen und entsprechend motivierende Erfahrungen machen können. Umgekehrt gilt das aber auch; jedem geschieht tatsächlich nach seinem Glauben! Wir erschaffen mit unseren Glaubenssätzen Realitäten für uns. Wir haben die Macht der Wahl, was wir erleben wollen (Ohn-Macht oder Macht). Das heißt Aufwachen. Allerdings nicht zu verwechseln mit Wunschdenken, das wäre die unerlöste Seite (ich möchte etwas bekommen oder Leidensdruck verringern, ohne mich selbst verändern und weiterentwickeln zu müssen).

 

Schmerz-Recycling

Eine der lang geübten Gewohnheiten, die wir uns unbedingt abtrainieren müssen, wenn wir zu innerem Frieden unabhängig von äußeren Umständen gelangen wollen, ist Schmerz-Recycling. Denn in der „Realität“ passiert ein bestimmter Vorgang nur einmal, im nächsten Moment ist er schon vorbei. Wir aber wiederholen hundertfach den Schmerz oder das Problem im Kopf und machen es dadurch erst (zu) schwer, belastend, langdauernd und bedeutsam für uns. Das Körpersystem reagiert erwiesenermaßen auf Gedanken genauso real wie auf das ursprüngliche Erlebnis. So entsteht Krankheit im Lauf der Zeit. Die „Realität“ wäre vergleichsweise harmlos – das einmalige schmerzhafte oder aufregende / belastende Erlebnis könnte unser Körper-Geist-System vergleichsweise leicht „verschmerzen“. Erst das ständige Schmerz-Recycling im Denken macht es untragbar. Das Erlebte wird im (Ego-)Geist negativ multipliziert und dadurch entsteht die dramatische Wirkung auf uns.

Durch immer wieder geübte Wachheit, Gedankendisziplin und Heilung von Schattenthemen mittels professioneller Begleiter versetzen wir uns allmählich in die Lage, nicht mehr so stark und ungefiltert auf das Außen zu reagieren. Wir spüren zwar noch die Initialreaktionen (Emotionen, Körperreaktionen, Gedanken), verzichten aber darauf, die Geschehnisse / Mitmenschen beeinflussen zu wollen, um vermutete negative Verläufe zu verhindern. Wir lassen ohne Gegenmaßnahmen unsererseits mit offenen Augen die scheinbare Katastrophe sich entwickeln und geschehen! Unsere Aufgabe besteht darin, nicht zu agieren, sondere alle Kraft darauf zu verwenden, durch geistige Übung möglichst bald wieder in die eigene innere Mitte und zu dem Blickwinkel zu kommen, von dem aus sich das Ganze ruhig und schmerzfrei anschauen lässt. Dieser Prozess ist zu Beginn höchst anspruchsvoll und sollte die komplette eigene Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dann ist nämlich auch keine Aufmerksamkeit mehr für das Drama „außen“ übrig. Wer das konsequent übt, wird allmählich feststellen, wie die Anzahl der schmerzhaften Wiederholungen im Geist allmählich zurückgeht und damit auch die mentale und körperliche Reaktion und Belastung sinkt. Der erste Schmerz wird weiterhin erlebt (soll nicht verdrängt, darf wahrgenommen werden), aber er wird immer weniger oft gedanklich wiederholt, das ist das Ziel der Übung.

Auf die Wiederholung einer schmerzhaften Vergangenheit und Vorwegnahme einer scheinbar sorgenvollen Zukunft im Geist zu verzichten, reduziert die durchschnittliche Denkbelastung enorm und hebt die Stimmung. Es bleibt mehr Energie für Positives übrig, zum Beispiel die Gedankenenergie in inspirierende Fantasien und motivierende Zielvorstellungen zu stecken. Das erhöht aufgrund der geistigen Gesetze die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens und macht die Bahn frei. Statt dass ich mir Sorgen mache (die genau genommen nur eine andere Form der Fantasie sind, aber leider auf geistiger Ebene hochwirksame energetische Hindernisse bauen), drehe ich meine Denkrichtung um und male mir zum selben Thema aus, wie es gut ausgehen könnte. Ich erzähle mir selbst also positive statt negative Geschichten, wenn das Geschichtenerzählen im Geist schon nicht gestoppt werden kann. Gedanken formen Energie formt „Realität“: Außerkörperliche Erfahrungen (William Buhlman: „Out of Body“) und Durchsagen der geistigen Welt (Eva Herrmann: „Von Drüben“) sprechen davon sehr eindrücklich. Die enormen positiven Auswirkungen auf die eigene Grundgestimmtheit, die Anzahl positiver „Zufälle“ im Leben und das tägliche geführt Sein vom Universum sind im Vorhinein gar nicht zu ermessen, aber aus eigenem Erleben ganz deutlich zu bestätigen.

Letztendlich beruht der vorübergehende Erholungseffekt durch Ablenkung (Fernsehen, Smartphone, Zeitunglesen, Alkohol, Freizeitgestaltung, Hobby, Urlaub) ebenfalls auf dem Unterbrechen des belastenden Gedankenstroms („mal auf andere Gedanken kommen“). Im Gegensatz zur oben angesprochenen Veränderung destruktiver Denkgewohnheiten bringt Ablenkung jedoch weder Heilung noch Problemlösungskompetenz, sondern Abhängigkeit. Denn sobald die Ablenkung zu Ende ist, beginnt der belastende Gedankenstrom von Neuem, darum verpufft z.B. ein Urlaub oder der Glücksmoment durch einen neu gekauften Gegenstand so schnell und zwingt zur Wiederholung. Eine dauerhaft manifestierte Denkgewohnheit des stetigen, ausnahmslosen(!) Nicht-Reagierens schenkt hingegen inneren Frieden unter allen Umständen – und nur dies ist wirklich innerer Frieden statt vorübergehendem Wohlgefühl.

 

Wissen alleine reicht nicht

Eine weit verbreitete Stolperfalle selbst noch in für Selbstentwicklung aufgeschlossenen Kreisen ist das „Ich weiß!“ oder „Kenne ich!“. Letztendlich sind diese Sätze nur Abwehr, etwas näher an sich heranzulassen. Wir glauben aus unserer Schulerziehung, dass Wissen Macht sei und somit ausreiche. Dies ist ein Irrtum. Das Universum interessiert sich nicht dafür, was wir wissen, sondern dafür was wir im Innersten (ggf. unbewusst) glauben, also aus welchen Überzeugungen heraus wir letztendlich entscheiden und handeln. „An ihren Taten werdet ihr sie erkennen.“ Unser Wissen wird mit dem Ende der Körperhülle ebenfalls kompostiert, unser Bewusstsein mit seinen Grundschwingungen dagegen existiert weiterhin und erschafft für uns relevante Realitäten, wie es das schon immer getan hat und weiter tun wird.

Wissen und Erkennen ist zweifellos ein wichtiger Schritt, aber nur der erste. Den zweiten versucht das Ego / der Schmerzkörper trickreich und häufig erfolgreich zu untergraben (z.B. durch obige Sätze), denn der führt zur (Er-)Lösung: Das Integrieren des Wissens in mein System, so dass es ein untrennbarer Teil bis hin ins Un(ter)bewusste von mir wird – ich das also bin was ich vorher nur als sinnvoll erachten konnte und wusste. Dass zum Beispiel Frieden und Vergebung ein Automatismus und Charakterbestandteil in mir wird, nicht ein willentlicher Akt bleibt, auf bestimmte Situationen oder Personen beschränkt. Die Ausnahmslosigkeit und Widerspruchsfreiheit im Handeln und Denken ist ein wichtiges Kriterium, an dem ich das feststellen kann – bei mir und bei anderen. Und wer ausnahmslos und widerspruchsfrei etwas integriert hat, der muss es gegenüber anderen auch nicht mehr begründen oder verteidigen. Er tut es einfach, weil es stimmig ist, ein untrennbarer Teil der Persönlichkeit geworden ist und die gewünschten Erfolge bringt, egal was andere davon halten. Auf dem Weg dorthin ist missionarischer Eifer ein vermutlich häufiges Übergangsstadium, das ja auch andere anstupsen und inspirieren kann. Als Dauerzustand ist er verdächtig.

 

Glücklich sein ist gar nicht so leicht

Eine schwer zu verdauende Erkenntnis kam für mich, als im Außen bereits alles sich zum Guten gewendet hatte, mein Beruf in ruhigere und dennoch erfolgreiche Gleise gekommen war, eine tolle Partnerschaft möglich wurde und ich viele alte Körpersymptome hatte dauerhaft heilen können. Ich war nämlich immer noch nicht glücklich und mit sorgenvollen Gedanken geplagt – dabei fehlten jetzt die konkreten Anlässe im Außen! Deutlicher konnte mir das Universum nicht zeigen, dass stimmt, was ich immer wieder gelesen hatte: Die Quelle für Unglücklichsein ist nicht außen zu finden, sondern innen. Es bedurfte (und bedarf bis heute) weiterer Schritte innerer Heilung und geistiger (Selbst-)Schulung, um die Momente inneren Friedens auszudehnen zu Phasen und die Phasen immer weiter auszudehnen, bis der Zustand inneren Friedens dauerhaft etabliert ist.

 

Angekommen

Ich fühle mich heute angekommen, bin nicht mehr auf der Suche. Mein Werkzeugkoffer für Selbstheilung und Geistesschulung ist gut gefüllt. Ich muss nicht noch mehr Werkzeuge hinzufügen, sondern möchte mich im Gebrauch der vorhandenen Werkzeuge vervollkommnen. Ich meditiere nicht mehr im eigentlichen Sinne, da mein (all)tägliches Leben ein harmonisches Gesamtkunstwerk sein soll, durchdrungen von Bewusstheit und Frieden, was ich als noch anspruchsvoller erlebe als das Pendeln zwischen Meditation einerseits und Alltag andererseits. Inzwischen geht es mir um die Synthese von beidem.

Ich genieße weiterhin fallweise die Unterstützung genialer Heiler, von denen es mehr gibt als man denkt. Ich nutze weiterhin dankbar die Inspiration durch gute Bücher und Medien wie Mystica.tv. Das Internet ist diesbezüglich ein Segen, da alternative Informationen, Vorträge, Interviews und inspirierende Vorbilder nur einen Mausklick entfernt sind. Parallel existieren die Universen der Probleme und der Lösungen nebeneinander, wir brauchen nur zu wählen und keiner zwingt uns zu etwas, außer vielleicht wir uns selbst und das können wir erkennen und loslassen. Ist das nicht wunderbar?!

 

 

Über Michael Weinert:

Jahrgang 1964, gelernter und studierter Gärtner. Bis zum Alter von 38 Jahren beruflich erfolgreicher Workoholic, dann Kollaps mit Burnout und Scheitern einer 19 Jahre währenden Beziehung. Kompletter Wandel vom rein naturwissenschaftlich orientierten Menschen hin zu alternativen Heilmethoden und Denkweisen, Umzug von der Stadt aufs Land und freiwillige Aufgabe einer Festanstellung für die berufliche Selbständigkeit. Intensiver Heilungsweg mittels zahlreicher Heiler, Seminare und Bücher (nachzulesen auf seiner Homepage mit vielen Quellenangaben). Heute sehr glücklich, gesund und zufrieden im bayrischen Oberland lebend.

www.kurz-nachdenken.de

Dieser Artikel Der Weg zum Glück: Was tun? – Michael Weinert ist zuerst auf MYSTICA.TV erschienen.

Ken Wilbers integrales Modell – Torsten Brügge

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Für viele Diskussionen rund um das Thema Spiritualität, sowie deren Beziehung zu psychologisch-spiritueller Entwicklung und sonstigen Lebensfeldern, ist die Sichtweise des Integralen Modells nach Ken Wilber hilfreich. Es beschreibt, wie umfassende spirituelle Freiheit und Weisheit mehrere Aspekte umfasst. Dabei gibt es nach Wilber drei Hauptthemen, die nur in ihrer Gesamtheit authentische spirituelle Befreiung und deren Lebensbezug verständlich werden lassen. Man könnte sie „Grunddimensionen“ nennen. Im englischen Original: „Wake up“, „Grow up“ und „Clean“ up.

von Torsten Brügge

 

Nach meinen nunmehr 25 Jahren als „spiritueller Finder“ und ca. 18 Jahren (auch) als „spiritueller Lehrer/Begleiter“ bildet diese integrale Sichtweise die bisher besten und genausten Beschreibungen, spirituelle Freiheit auf einer Meta-Ebene zu reflektieren. Hier will ich eine sehr komprimierte Zusammenfassung der drei Grunddimensionen erläutern. Wer sich eingehender damit beschäftigen will findet Hinweise dazu am Ende des Textes.

Sich mit diesen Grunddimensionen zu beschäftigen, erweitert den eigenen Horizont für individuelle und kollektive Entfaltung von Bewusstsein und lässt einen in manchen Debatten und Diskussionen schnell erkennen, wo welche Grunddimensionen angesprochen werden und ob es ausgewogene oder einseitig verzerrende Perspektiven sind.

Ein Hinweis: Das Integrale Modell umfasst tatsächlich noch weitere wichtige Elemente. Allerdings werde ich darauf aus Gründen der Vereinfachung in diesem Text nicht eingehen.

 

WAKE UP – Erwachen zum Einssein

Die erste Grunddimension nennt Wilber „Zustandserwachen“ (englisch: WAKE UP). Diese ist vielleicht die „spirituellste“ der drei Dimensionen, weil es hier um die Entdeckung von Bewusstseinszuständen oder Bewusstseinsqualitäten geht, die im starken Kontrast zur Gewohnheitswirklichkeit unseres bekannten Tageswachbewussteins stehen. Letzteres spiegelt uns vor, eine von Anderen und der Welt getrennte Person zu sein, die mit einem eigenständigen Ich-Kern ihr Leben mehr oder weniger durch persönlichen Willen kontrollieren kann. Doch in mystischem Erleben können sich für Menschen spontan oder in der Folge der Beschäftigung mit spirituellen Themen oder Praktiken ganz andere Erfahrensweisen eröffnen.

Ein Aspekt davon besteht in der die Erfahrung des „kausalen Urgrundes“ oder des „unpersönlichen Zeugenbewusstseins“, wie Wilber es nennt. Dies besteht als unberührtes, stilles Gewahrsein, welches allen wechselnden Zuständen von Wachen, Träumen und Schlafen zugrunde liegt. Stilles Gewahrsein ist letztlich kein Zustand, sondern kann eher als „Bewusstseinsraum“ beschrieben werden, in dem alle Bewusstseinszustände, also die Kombination von Bewusstseinsinhalten wie Gedanken, Gefühlen und Empfindungen, auftauchen und wieder verschwinden. Deshalb ist der Begriff „Zustandserwachen“ vielleicht nicht hundertprozentig passend. Als ungefähre Benennung soll er aber ausreichen.

Der kausale Bewusstseinsraum an sich bleibt unberührt von allen Erscheinungen und hat in gewisser Weise absolut nichts mit den Inhalten zu tun, so wie ein Raum unabhängig davon besteht, was in ihn hinein oder heraus getragen wird. Das tiefste „Zustandserwachen“ besteht dann in der weiteren – oder gleichzeitigen – lebendigen Erkenntnis, dass der kausale Urgrund und die Welt der Erscheinungen nicht voneinander getrennt sind. Das nennen Wilber und andere Mystiker „Bewusstsein der Nondualität“ oder kurz „Nondualität“. Man kann es auch als allumfassendes Einssein bezeichnen. In unserer Raummetapher würde dies bedeuten, dass die Erscheinungen im Raum quasi gleichzeitig als Ausstülpungen des Raumes in sich selbst hinein erkannt werden. Der umgebende, reglose Raum und seine sich wandelnden Inhalte sind ein aus einem Guss bestehendes Dasein.

In der Erfahrung von kausalem und nondualem Bewusstsein verschwindet der Glaube an die Realität eines eigenständigen und willkürlich handelnden Ichs. Es wird klar, dass Alles und Nichts letztlich ein unbeschreibliches und unfassbares Sein ist, in der jede Trennung nur als illusorisches Konstrukt erscheint.

An dieser Stelle fällt mir der – vielleicht auch einigen HdS-Lesern bekannte – Song von Konstantin Wecker „Tropfel im Meer“ ein. In diesem – mich immer wieder sehr berührendem – kleinen Lied besingt Wecker nichts anderes als eine tiefe mystische Erfahrung. Er benutzt dazu die Ozean-Metapher: Ein Tropfen fällt ins Meer. Seine Grenzen lösen sich auf. Er erlebt sich als „Alles und Niemand“ und schwelgt im – vorher vergessenen – Einssein mit dem Ozean.

Tiefe WAKE-UP-Erkenntnisse werden zum Beispiel in Aussagen wie „Alles ist Bewusstsein“ oder „Jede Trennung ist Illusion“ verbalisiert. Wobei solche sich scheinbar widersprechenden Aussagen gleichwertig paradox nebeneinander stehen. WAKE-UP-Erkenntnis offenbart das zeitlose, geschlechtslose, alterlose, raumlose, formlose Gewahrsein, das zugleich den Wesenskern jeder formhaften Erscheinung im gewohnten Verständnis von Zeit und Raum ausmacht. Diese oft auch als „Erwachen“ betitelte Erfahrung, ist – wie die Tiefe des Ozeans unter der Welle – jederzeit in voller Gänze zugänglich. Die direkte Erfahrung davon entzieht sich allerdings dem begrifflichen Denken, sondern offenbart sich in direkter mystischer Schau. Das Verstandesdenken kann aber zumindest versuchen, es in Worte zu fassen, auf die Erfahrung verweisen oder manchmal auch zu der direkten Erfahrung einladen.

 

GROW UP – Perspektiven und Mitgefühl erweitern

Doch „Zustandserwachen“ ist nur eine Dimension umfassender psychologisch-spiritueller Freiheit. Ein zweiter besteht in dem „Erwachsenwerden auf der relativen Erscheinungsebene“ (Wilber: GROW UP). Dies bedeutet, dass das Individuum und auch kollektive Strukturen immer größere Weitsicht entwickeln. Ein immer größerer Kreis des Mitgefühls öffnet sich. Es können immer mehr und mehr Perspektiven eingenommen und ein immer umfassenderes Verständnis für die verschiedenen, holarchisch gegliederten Entwicklungsebenen des menschlichen Bewusstseins aufgebracht werden. Diese Bewusstseinsebenen erstrecken sich über ein Spektrum, das man unterschiedlich fein gefächert beschreiben kann. In einer einfachen Auffächerung werden diese folgendermaßen benannt: archaisch, magisch, mythisch, rational, pluralistisch, integral.

Es würde an dieser Stelle den Text sprengen, die einzelnen Entwicklungsebenen genau mit ihren individuellen, kollektiven, inneren und äußeren Aspekten zu beschreiben. Deshalb führe ich sie im Folgenden nur kurz mit jeweils einigen Stichworten auf, die eine erste Ahnung ihrer Eigenschaften eröffnen sollen.

Wer sich intensiver und mit einer noch feineren Auffächerung damit beschäftigen möchte, kann dies hier tun:
ARCHAISCH: symbiotische, physiologische Eingebundenheit in Naturprozesse – triebhaftes Überleben
MAGISCH: animistische Wahrnehmung – Ahnengeister – präkonventionelle Moral – „Recht des Stärkeren“ – eigene Allmachtsfantasien – egozentrische Triebe
MYTHISCH: traditionell-religiöse Überlieferung von Werten – Wortgläubigkeit an „heilige Schriften“ – Gruppenzugehörigkeit – Machtübertragung auf Götter und Autoritäten – konventionelle Moral – Ethos der Gruppe – absolutistisch – Neigung zu Fundamentalismus
RATIONAL: Vernunft getragen – kritisches Hinterfragen traditioneller Werte – Individualisierung – technisch-wissenschaftlicher Fortschritt – persönliche Selbstverwirklichung – aufgeklärte Werte – beginnende Gleichberechtigung – Glaubensfreiheit – Trennung von Staat und Kirche
PLURALISTISCH: einfühlsame, sensitive Weltsicht – Betonung menschlicher Verbundenheit – universelle Bürgerrechte – verwirklichte Gleichberechtigung – sexuelle Selbstbestimmung – große Toleranz – Minderheitenschutz – humanistischer Idealismus – nachhaltige Umweltbeziehung – relativistisch
INTEGRAL: Integration aller vorherigen Ebenen ohne Abspaltung oder kulturellen Relativismus – Holarchie-Bewusstsein (Anerkennung aller vorherigen Ebenen mit deren Hierarchie-Gefüge) – transpersonale Selbstverwirklichung – Flowerfahrung – transrationale Wahrnehmung – Quadranten-Bewusstsein (Perspektivenvielfalt: individuell/kollektiv – innerlich/äußerlich)
Weitere Ebenen folgen im Laufe der Evolution.

Die Ebenen gehen nach- und auseinander, wie sich konzentrisch erweiternde Kreise, hervor. Trotzdem neigen die Ebenen von archaisch bis pluralistisch dazu, ihre eigene charakteristische Sichtweise und Sichtweite jeweils als die einzig wahre zu behaupten und sowohl gegen tiefere, als auch höhere Ebenen zu kämpfen.

Erst ab der integralen Ebene wird Bewusstsein fähig, seine eigene Entwicklung in der Erscheinungswelt „rückwirkend“ reflektierend zu begreifen. Das führt dann zu einer umfassenden Integration gepaart mit holarchischer Einordnung und Wertpriorisierung aller vorherigen Ebenen. Man (an)erkennt den Nutzen, aber auch die Begrenzung und schädlichen Verzerrungen jeder Ebene.

GROW-UP-Erkenntnis entwickelt sich in der Zeit, wie eine kontinuierliche Erweiterung einer Welle an der Oberfläche des Ozeans, die immer mehr Breite und Weitsicht um sich herum entdeckt und zugleich – nach unten hin – immer tiefer das Einssein aller Wellen mit dem Ozean erspürt.

 

CLEAN UP – Schattenbereiche erhellen

Die dritte Grunddimension psychologisch-spiritueller Entwicklung nennt Wilber „CLEAN UP“ und meint damit Schattenarbeit oder Schattenintegration. Das bedeutet: Bisher verleugnete oder blind ausagierte Anteile des Egos werden dabei bewusst wahrgenommen und erlebt. Es wird zum Beispiel möglich, existentielle Angst, Wut und Bedürftigkeit zu fühlen, ohne sie zu verdrängen oder ihren Impulsen in destruktives Ausleben folgen zu müssen. Dadurch transformieren sich die Schattenanteile, verlieren ihren – für sich selbst und andere – leidvollen und Leid erschaffenden Charakter und lassen immer mehr Urvertrauen, Liebe und transzendente Erfüllung durchscheinen. Das Ego-Ich, also die Sammlung der unbewussten und Leid erzeugenden Muster, wird dadurch gelöst und transparent für die Transzendenz des Seins, also für die er- und gelebte Erfahrung nondualen Bewusstsein.

Obwohl das Konstrukt des Egos in der WAKE-UP-Erfahrung als vollkommen illusorisch erfahren wird, bleibt es auf der Erscheinungsebene eine relative, aber sehr wohl bedeutsame und wirkliche (im Sinne von „wirk“ende) Erscheinung. Bei sich fortsetzender GROW-UP- und CLEAN-UP-Erweiterung wird das persönliche Ich immer durchleuchtender für die transzendente Wahrheit von Einssein und Frieden.

Die Gleichzeitigkeit des jähen absoluten WAKE-UP-Erwachens und die sich über Zeit erstreckende relative Entwicklung vom GROW-UP-Erwachsen-Werden begleitet von einer CLEAN-UP-Schattenbewusstheit ist kein Widerspruch, sondern eine paradoxe Wahrheit. Man könnte auch sagen: Bei gelungener Bewusstseinserweiterung und Schattenarbeit werden wir zu einer Welle, die immer klarer die Tiefe und Allverbundenheit des Ozeans widerspiegelt – sowohl im körperlichen, emotionalem, als auch mentalem Erleben und Ausdruck.

 

Erwachen ist nicht genug

Tiefe Erkenntnis in der WAKE-UP-Dimension, also das Erleben kausalen und nondualen Bewusstseins, kann ein Reifen in der GROW-UP- und CLEAN-UP-Dimension erleichtern.

Die De-Identifikation von der Gewohnheitswirklichkeit eines vermeintlich eigenständigen Ichs und das Lösen von bisher gewohnten Wahrnehmungs- und Verdrängungsmustern kann ein neues transformiertes Erleben eröffnen. Wir trennen uns von alten Sichtweisen und aus der Intelligenz der Stille heraus eröffnen sich neue. Mit der Fähigkeit als Zeugenbewusstsein zu ruhen, gewinnen wir auch die Fähigkeit, schmerzhafte Schattengefühle direkt zu erleben, ohne uns in destruktive Abwehrmechanismen zu verstecken oder gehen zu lassen.

Es kann allerdings auch „nach hinten losgehen“. Tiefe WAKE UP-Erkenntnisse, die bloß noch verkonzeptualisiert werden, können zu einer Dissoziation von der Erscheinungswelt führen oder sogar die Abwehrmechanismen der Schattenbereiche verstärken. Anstatt dass ein natürliches GROW-UP und CLEAN-UP geschieht, glaubt sich der oder die „Erwachte“ als vollständig befreit und vernachlässigt oder verleugnet sogar jeden Aspekt von CLEAN-UP und GROW-UP im Namen der „absoluten Ich-Losigkeit“. Oft werden dann blind die eigenen Ego-Muster, bzw. die reaktiven Abwehrmechanismen weiter ausgelebt und womöglich noch mit „nondualen“ Scheinargumenten als besonders erleuchtet verklärt. Oder die eigene begrenzte GROW-UP-Perspektive werden als absolute Wahrheiten hingestellt und andere Sichtweisen als „Illusion“ oder „unerleuchtet“ abgetan.

Nicht selten findet man bei mangelnder GROW-UP-Entwickung eine plumpe Anti-Intellektualität und erstaunlich undifferenzierte oder sogar – im Namen der Nondualität – dualistisch polarisierende relative Sicht- und Ausdrucksweisen.

Nach dem „Wilber-Combs-Raster“ kann man es auch so betrachten: WAKE-UP-Aspekte sind jederzeit zugänglich, egal welche GROW-UP-Entwicklung oder welcher CLEAN-UP-Schatten aktiv ist. Doch die WAKE-UP-Einsichten werden durch die jeweilige GROW-UP-Weitsicht und die CLEAN-UP-Bereinigtheit als ein Filter interpretiert, ausgedrückt und gelebt. Geht man davon aus, dass alle drei Grunddimensionen wichtig sind und jeweils beachtet oder missachtet werden können, kann man vieles in der psychologisch-spirituellen Entwicklung besser verstehen, als wenn man nur um eine oder zwei Dimensionen weiß.

 

Deutschprachige Infos zum Integralen Modell:
Texte von mir, mit integralen Bezügen:
https://www.bodhisat.de/index.php/artikel-connection-xi.html
https://www.bodhisat.de/index.php/artikel-connection-ix.html
https://www.bodhisat.de/index.php/poster-integrales-modell.html
https://www.bodhisat.de/index.php/artikel-connection-iii.html
https://www.bodhisat.de/index.php/artikel-connection-ii.html

Weitere ausführliche Infos und dort weiterführende Links:
https://integralesleben.org/index.php?id=678
https://www.facebook.com/groups/integralesforum/

 

Über Torsten Brügge :

Er hat eine Berufszulassung als Heilpraktiker und Shiatsu-Therapeut. Er verfügt über eine langjährige Berufserfahrung in ambulanter Altenpflege und als Körpertherapeut; studierte Psychologie und war ca. 9 Jahre in der sozialpsychiatrischen Betreuung psychisch schwerkranker Menschen im Rahmen von ambulanten Wiedereingliederungshilfe tätig. Ende der neunziger Jahre ermutigte ihn seine spirituelle Lehrerin Gangaji, seine Erfahrung von Freiheit mit anderen Menschen zu teilen. Seitdem steht er für Satsang, Retreats und Einzelbegegnungen zur Verfügung.
www.satsang-mit-torsten.de
www.bodhisat.de

Dieser Artikel Ken Wilbers integrales Modell – Torsten Brügge ist zuerst auf MYSTICA.TV erschienen.

Der Wasserverkäufer am Fluss – Sugata Wolf Schneider

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Muss Spiritualität etwas kosten, damit sie ernst genommen wird? Mit dem Gleichnis des Wasserverkäufers möchte der Autor Wolf Schneider zeigen, warum es fast unmöglich ist, auf das Echte im Leben hinzuweisen. Durch die symbolische Geschichte wird jedoch sehr klar, dass Wahrheit schwer zu vermitteln ist.

von Sugata Wolf Schneider

 

 

 

Die Wahrheit ist einfach, sehr einfach, aber sie ist nicht billig zu haben. Sie ist ohne Geld zu haben, aber nicht billig. Wenn du sie in den Schoß gelegt bekommst, und es ist nicht der rechte Moment dafür, erkennst du sie nicht und wirfst sie fort. Heute wird sie dir sogar nicht nur in den Schoß gelegt, sondern nachgeworfen, aber in all dem Müll unserer von Informationen überfluteten Welt erkennt sie kaum jemand mehr. Sie zu erkennen braucht ein feines Unterscheidungsvermögen und mehr Einsatz als nur eine Kauflaune.

Die Wahrheit zu erkennen fordert den ganzen Menschen. Sie packt uns und verbaut uns alle Ausreden und Ausflüchte, nun müssen wir echt werden. Sie wäscht uns und macht uns dabei nass. Sie ist das Leben selbst, wie es uns vorfindet, beschenkt und durch Höhen und Tiefen schleudert – und glücklich sein lässt, unendlich glücklich. Es braucht nichts dazu, wirklich nichts. Das Gesuchte lässt sich nicht in Worten sagen und nicht einmal in Tönen, mit Musik. Aber man kann es finden! Wenn wir nur aufhörten an unserer Suche zu kleben und so – ohne die Last der ewig vor uns hingehaltenen Karotten falscher Verheißungen – ganz leicht würden, dann wüssten wir kaum mehr, wohin mit all dem Glück.

Der vorliegende Text befasst sich im Gleichnis des Wasserverkäufers am Fluss mit der Schwierigkeit, Wahrheit zu vermitteln. Es ist nur ein Text. Wenn danach immer noch eine Karotte vor dir schwebt in Form dessen, was du als nächstes tun oder lesen oder zu welchem Satsang du als nächstes gehen solltest, wirf sie weg. Lass nur gelten, was wirklich da ist, jetzt, ohne dass irgendwer irgendwas sagt oder schreibt.

Denn das Dao, über das man sprechen kann, ist nicht das wahre Dao. Diesen ersten Satz aus dem Daodejing (nach der Bibel das meistübersetzte Buch der Welt) werde ich nie vergessen. Dass es dieses Buch in Hunderten unterschiedlicher Übersetzungen gibt, scheint irgendwie zu bestätigen, dass man über das Wesentliche nicht sprechen kann. Der österreichische Philosoph Wittgenstein schrieb dazu 1921 in seinem Tractatus diesen berühmten Satz: »Was sich überhaupt sagen lässt, kann man klar sagen, und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.« Nein, ich werde nicht schweigen, sondern euch die Geschichte vom Wasserverkäufer am Fluss erzählen…

 

Alle haben Durst

Jener Wasserverkäufer sah, dass die Menschen Durst hatten. Wo man auch hinschaut, überall sind Durstige – Tanha, Begehren, nannte der Buddha diesen Durst. Wenn dann einer drauf kommt, dass man zum Fluss gehen kann und trinken und dass das Wasser dort klar ist und gut bekömmlich und den Durst löscht – wunderbar! Egal, ob ihm jemand den Tipp gegeben hatte, oder er es von allein herausfand: Das Wasser war köstlich, es löschte seinen Durst, und offensichtlich konnte auch jeder andere dort hingehen und davon trinken, so viel er wollte; kein Zaun hinderte daran und kein Schild »Privatgrund, Trinken verboten!«.

Nun sah dieser Mensch aber, dass kaum einer seiner Mitmenschen, die doch so durstig waren, dort hingingen und tranken. Wussten sie denn gar nicht von diesem Fluss und der Qualität seines Wassers? Und wenn doch, warum gingen sie dann nicht hin? Wussten sie vielleicht nicht, wie man dort hingelangt? Oder fürchteten sie, dass das Wasser vergiftet sein könnte? Vielleicht kamen sie einfach nicht darauf, dass ihr Durst löschbar war, weil sie mit so viel anderem, Alltäglichen beschäftigt waren. Vielleicht dachten sie, das sei eben so; die menschliche Existenz, la condition humaine, sei so, dass man durstig sei und Sehnsucht nach Wasser habe, und dass das eine im Diesseits, in dieser Welt nicht erfüllbare Sehnsucht wäre. Er aber wusste, wie gut es sich anfühlte, von diesem Wasser zu trinken. Es löschte den Durst, und es war genug da für alle. Und es schmerzte ihn, dass kaum jemand davon trank.

 

Die frohe Botschaft

Deshalb sprach er nun immer öfter davon, mit einfachen, klaren Worten. Er lobte das Wasser, er beschrieb, wie es seine Kehle hinunterrann und wie gut man sich danach fühlte, wenn man davon getrunken hatte. Die Menschen hörten ihm fasziniert zu. So schön hatten sie nur selten jemand vom Wasser sprechen hören. Besonders dann, wenn er immer wieder sagte, dass jeder selbst zum Wasser gehen könne, zum Trinken, dass sie ihn dazu gar nicht bräuchten und es nichts koste, lobten sie ihn und seine Bescheidenheit. So ein großer Redner! Und er predigte so ganz ohne Arroganz, das gefiel ihnen. Er sprach zu ihnen auf Augenhöhe, hatte nichts zu verkaufen und fühlte sich dabei auch nicht als etwas Besseres, deshalb versammelten sie sich um ihn in immer größeren Mengen, lauschten seiner Rede und empfahlen ihn weiter. Immer mehr kamen, und sie fragten nach den Terminen, wann er denn wieder sprechen würde, damit sie ihre Freunde und die anderen Durstigen mitbringen könnten.

Aber keiner von ihnen ging zum Fluss, um zu trinken.

 

Die Partitionierung

Dieser großartige Redner, wir könnten ihn Adam nennen, besorgte sich daraufhin Flaschen, die er mit diesem köstlichen Wasser befüllen konnte. Ein paar hundert davon, das müsste reichen. Jede konnte einen Liter Wasser fassen. Und er besorgte sich Etiketten, auf denen stand »köstliches Wasser«. Das müsste genügen, um die Menschen zu überzeugen, dachte er. Hundert dieser Flaschen stellte er bei seiner nächsten Rede auf, aber trotz seiner großen Beredtheit griffen nur vier der Zuhörer zu den Flaschen. Sie nahmen sie mit nach Hause und tranken in kleinen Schlucken davon, so kostbar war dieses Wasser für sie; es sollte ja noch lange reichen, wer weiß, wann sie wieder welches bekämen. Vier von hundert? Adam war enttäuscht.

 

Der Verkauf gelingt

Als nächstes probierte er es mit einem noch ausgefeilteren Trick. Wieder besorgte er sich Etiketten, auf denen aber stand diesmal »Wasser zum Sonderpreis von 1 €! Nur heute, und nur für die Kunden des besten Wasserverkäufers der Welt!« Kaum hatte er den Tisch aufgebaut und die Hörer seiner Rede sich versammelt, standen sie Schlange vor seinem Tisch und wollten das Wasser kaufen. Noch ehe er mit seiner Rede geendet hatte, waren alle Flaschen verkauft. Das setzte sich so bei den weiteren Veranstaltungen fort, so dass er nun kaum mehr dazu kam, seine Rede zu halten, denn nun brauchte er eine Kasse und Wechselgeld, und die Leute wollten wissen, wann der Stand wieder offen sei, wann es Nachschub gäbe, und ob sie bei Abnahme von fünf oder zehn Flaschen einen Rabatt bekämen. Das Geschäft war eröffnet, und es lief gut. Immerhin tranken die Leute nun Wasser, doch Adam war enttäuscht. Wegen des Geschäftes hatte er nun nicht mehr so viel Zeit, das Wasser zu loben, kaum dass er selbst zum Trinken kam, und tief in seinem Herzen fühlte er sich mit seiner Idee verraten.

Die wenige Zeit, die ihm noch neben dem Wassergeschäft blieb, saß er zuhause mit Lilith und träumte von einer Welt, in der jeder von allein zum Fluss gehen und Wasser trinken würde. Von einer Welt, in der nicht nur dieses ganze Wassergeschäft überflüssig wäre, sondern sogar alle Lobesreden über das Wasser, weil einfach jeder Durstige das Rauschen des Flusses hörte und dann von selbst hinginge, um auszuprobieren, ob es trinkbar ist.

 

Das spirituelle Geschäft

Wer auch immer sich mit Tiefenspiritualität befasst hat – manche nennen es »Mystik« –, weiß, wovon ich hier spreche. Ich bin ja nicht der Wasserverkäufer, und ihr seid die Durstigen, so einfach ist es nicht. Wir alle sind durstig, und wir alle können zum Fluss gehen und Wasser trinken. Und diejenigen unter uns, die sich ein bisschen eingehender mit dem Durst und dem Wasser beschäftigen, kommen früher oder später darauf, dass es nicht so leicht ist, vom Wasser zu sprechen und von seiner Trinkbarkeit, geschweige denn andere dazu zu bringen, selbst davon zu trinken. Dann entsteht das spirituelle Geschäft. Wer etwas gegen Geschäftemacherei mit dem für alle zugänglichen Wasser hat, schweigt daraufhin – und leidet, weil nur so wenige zum Trinken an den Fluss gehen. Die anderen mühen sich damit ab, die Flaschen zu befüllen und zeitgemäße, attraktive Etiketten zu entwerfen, damit das Wasser auch gekauft wird. Manche von ihnen vergessen bei dieser doch recht anspruchsvollen Geschäftstätigkeit selber das Trinken – und sogar das Wesentliche: dass nach wie vor jeder allein zum Fluss gehen kann und dort seinen Durst stillen.

 

Alles ist erlaubt

Jesus hat in Gleichnissen gesprochen. Das Daodejing spricht in vielfältig schillernden Begriffen. Manche schweigen: Meher Baba, die Vipassana-Lehrer, viele Zenmeister. Ach, Wittgenstein, du hattest wohl doch recht. Aber darf man dann nicht wenigstens gegen diejenigen wettern, die falsche Botschaften verbreiten, die nur Ersatz anbieten statt des Echten? Die uns damit zustopfen und glauben machen, wir hätten und wüssten es schon? Ja, man darf wettern, ebenso wie Verkäufer der Ersatzmittel diese anbieten und verkaufen dürfen. Schaut euch die Wirtschaftsstatistiken an: Ich glaube sogar, dass die Flaschen sich noch besser verkaufen, wenn sie nicht »köstliches Wasser« enthalten, sondern Zuckerwasser, mit Etiketten wie Coca-Cola, immerhin lautet der Slogan von Coca Cola: »It’s the real thing«.

Geld zu verdienen ist völlig okay. Auch, etwas anzubieten und dafür zu werben ist völlig in Ordnung. Wenn wir bei all der Anbieterei jedoch vergessen, dass wir Luft atmen können und das auch dürfen, ohne Genehmigung und ohne Gebrauchsanleitung; dass Wasser trinkbar und zumindest in Bergbächen noch sauber ist und dort auch nichts kostet; wenn wir vergessen, dass wir Sonnenuntergänge am Meer – noch – ohne Eintritt zu bezahlen ansehen dürfen, und dass wir lieben dürfen – und das vielleicht sogar auch können – ohne Schulabschluss, dann ist etwas faul an unserer Religiosität, Spiritualität und Lebensphilosophie – meine ich als Prediger des Selbstverständlichen und durchaus ermüdlicher Wasserverkäufer am Lebensfluss.

 

Der Finger und der Mond

»Lesen ist leben« ist der Slogan des Herder-Verlages, der seit vielen Jahren unzählige spirituelle Bücher herausgibt und die geistige Heimat von Anselm Grün ist und von vielen weiteren großen Autoren. Jedes Jahr wieder komme ich auf der Frankfurter Buchmesse am Eingang zur Halle 3.1. am Herder-Stand vorbei und wundere mich. Wie kann das der Slogan eines spirituellen Verlages sein? Starre nicht den Finger an, der auf den Mond zeigt, heißt es im Zen. Nicht für die Schule lernen wir, sondern fürs Leben, ist ein Grundsatz der Bildung. Wenn schon das Lesen über das Leben für Lebendigkeit gehalten wird, dann sind wir doch noch in Platons Reich der Schatten an der Höhlenwand. Nein, das Lesen ist nur eine kleine, sehr besondere Variante des Lebens, eine Variante, die zu Wissen führen kann – wenn denn die Texte gut sind und wahrhaftig. Das Lesen, Schreiben oder Nachdenken über das Leben sollte aber nicht mit dem Leben verwechselt werden, der Finger nicht mit dem Mond. Und eine schöne Rede über das Wasser im Fluss sollte nicht mit dem Genuss des Wassers selbst verwechselt werden. Nur das Trinken löscht den Durst, nicht das Zuhören, Lesen oder Nachdenken. Deshalb vergiss’ diesen Text, geh’ trinken!

 

 

Über Sugata Wolf Schneider:

Der Autor, Redakteur und Kabarettist wurde 1952 geboren und absolvierte 1971-75 ein Studium der Naturwissenschaften und Philosophie in München. 1975-77 verbrachte er in Asien (Buddhismus, Osho). Von 1985-2015 war er als Herausgeber der Zeitschrift connection aktiv. Seit 2007 sind seine Schwerpunkte das Theaterspiel & Kabarett. Trotz geheuchelter ethischer Bedenken und Gewissensbisse ist Sugata nun auch unter die Wasserverkäufer gegangen und warb, schmunzelnd wie immer, auf dem Erleuchtungskongress am 8. bis 10. September 2017 in Berlin  als Co-Repräsentant der Konferenz weiterhin für das Trinken am Fluss.

Kontakt: schneider@connection.de

 

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„Begegne dem Tod und gewinne das Leben“ von Christine N. Brekenfeld (Rezension)

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Christine Brekenfeld verbindet mit diesem Buch und in ihrem persönlichen Erleben zwei Themen, von denen man denken könnte, sie hätten gar nicht viel miteinander zu tun: Nahtoderfahrung und Spirituelles Erwachen.

In der Tat erleben viele Menschen, die eine Nahtoderfahrung (NTE) erlebt haben – in Deutschland sollen das allein 4% aller Menschen sein – Momente tiefen Friedens, tiefen Einsseins mit allem, was ist. Diese Erfahrung ist lebensverändernd, aber gar nicht so einfach in normale Leben zu integrieren, weil sich damit auch oft innere Werte verändert haben. Und oft sind damit verbundene Erfahrungen wie die eines Schocks noch gar nicht integriert und können erst Jahre später durch Traumaarbeit oder Ähnliches verarbeitet werden.

Dieses Buch bietet nun erstmals eine großartige Hilfe für Menschen an, die nach einer NTE nach wie vor noch nicht wieder ins normale Leben zurückgefunden haben – aber auch für spirituell Suchende ganz allgemein. Brekenfeld lernte lange Jahre bei dem spirituellen Lehrer und Psychotherapeuten Christian Meyer, der ihr anfangs half, die Erlebnisse zu deuten und zu harmonisieren. Aus dieser Zusammenarbeit sind gemeinsame Forschungen und Seminare entstanden.

Der springende Punkt: Um alles zu verarbeiten und in die Tiefe zu führen, ist die Arbeit mit Gefühlen und dem Körper sehr wichtig, denn im Körper sind oft Traumata gespeichert, die freigesetzt werden möchten. Der Unterschied beider Erfahrungen ist: Die NTE bietet eine plötzliche Einheitserfahrung, auf die der Mensch oft gar nicht vorbereitet ist, während spirituelles Erwachen oft die Frucht einer längeren inneren Entwicklung ist. Diese Lücke will das Buch beleuchten und schließen.

Der Leser bekommt eine ganze Reihe hilfreicher Meditationen und Übungen an die Hand, um sich selbst mehr mit der inneren Quelle zu verbinden – inspiriert durch Traumatherapie und die Lehren alter Mystiker. So oder so ist das Buch ein spannendes, praktisch anwendbares Buch für den spirituell Suchenden, mit und ohne NTE-Erfahrung.

Eine Rezension von Thomas Schmelzer

 

Hier sehen Sie einen Talk mit Christine Brekenfeld und Christian Meyer zum Thema.

 

Infos zum Buch:

Christine N. Brekenfeld : „Begegne dem Tod und gewinne das Leben“
Verlag: Arkana Verlag, 2017
Umfang: 240 Seiten
Preis: 20,00€
ISBN: 978-3-442-34223-5

Hier können Sie es versandkostenfrei bestellen

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„Die Regulus-Botschaften“ von Bettina Büx (Rezension)

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Es gibt in der „gechannelten“ Literatur viel Mittelmäßiges. Nur wenige Werke strahlen um so mehr aus der Masse heraus, die sprachlich, sachlich und lebensnah einzigartige Texte beinhalten. Ich denke da an Seth, Kryon oder Archetypen der Seele.

In diese edle Reihe möchte ich Regulus stellen. Selten war ich von der ersten bis zur letzten Zeile so berührt und beeindruckt, hier einfach nur Wahrheiten über unser Menschsein in einer wunderschönen Sprache zu erleben. Die Ausrichtung erinnert ein wenig an „Ein Kurs in Wundern“ – nur dass man es hier mit einer modernen, manchmal humorvollen Sprache zu tun hat und – ja, auch das kann ein Pluspunkt sein – keine einzige Übung machen muss. Vielmehr werden Erkenntnisse allein durchs Lesen initiiert, die einfach nur wunderbar in die Tiefe führen.

Diesem Buch werden sogar noch vier weitere folgen, also eine wahrlich beindruckende Textsammlung, die sich aber nie wiederholt und voller tiefer Erkenntnisse und auch origineller Wortschöpfungen ist.

Gott will sich durch uns erfahren. Der sogenannte Sündenfall ist göttlicher Schöpfungsplan. „Ego ist heiliges Werkzeug Gottes, erschaffen zur zeitweiligen Verhüllung Deiner ewigen Wirklichkeit“. Ausgehend von dieser Perspektive geht es aber auch um ganz „irdische“ Themen wie Beziehung, Ängste oder Wünsche. Noch eine Kostprobe? – „Intellektuell erhebst Du Dich über die Dualität, wenn Du nicht wertest. Emotional erhebst Du Dich über die Dualität, wenn Du liebst“…

Eine Rezension von Thomas Schmelzer

 

Lesetipp: In unserem neuen Magazin DeinSechsterSinn finden Sie einen exklusiven Buchauszug.

 

Infos zum Buch:

Bettina Büx: „Die Regulus-Botschaften“
Verlag: Echnaton Verlag, 2017
Umfang: 296 Seiten
Preis: 17,95 €
ISBN: 978-3-937883-91-5

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